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                                                                                                                                manfred herok    2014

G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie / ... / B.Kant

 

Die Erscheinung der Kantischen Philosophie ist gleichzeitig;
sie ist ausführlicher zu betrachten.

Kant kehrt zum Standpunkt des Sokrates zurück, zum Denken,
aber mit der unendlichen Bestimmung zum Konkreten, mit der Regel der Vollkommenheit.
Cartesius setzte die Gewißheit als Einheit des Denkens und Seins.

Jetzt haben wir das Bewußtsein des Denkens in seiner Subjektivität:
d. i.
α) als Bestimmtheit gegen die Objektivität;
β) als Endlichkeit, Fortgehen an endlichen Bestimmungen.
Wir sehen die Freiheit des Subjekts wie bei Sokrates und den Stoikern;
aber die Aufgabe in Ansehung des Inhalts ist höher gestellt.
Es wird gefordert die Erfüllung mit der Idee der Vollkommenheit,
d. i. daß der Inhalt selbst sei die Einheit des Begriffs und der Realität.

Das abstrakte Denken, die eigene Überzeugung ist das Feste, seine Erfüllung die Erfahrung,
das Mittel der Erfahrung das formelle Denken und Schließen.
Bei Jacobi kommt α) dies Denken, die Demonstration, nicht über das Endliche, Bedingte hinaus;
β) auch wenn der Gegenstand Gott, der metaphysische, ist, so ist die Demonstration vielmehr dies,
ihn bedingt, endlich zu machen;
γ) das Unbedingte, was denn doch gewiß, das Absolute ist nur im Glauben,
in der unmittelbaren Gewißheit,
- ein subjektiv Festes, aber Unerkennbares, d. h. Unbestimmtes, Unbestimmbares, somit Unfruchtbares.
- In der Kantischen Philosophie ist dies Denken als entscheidend aufzufassen.
Im Endlichen, im Zusammenhang mit demselben erhebt sich ein absoluter Standpunkt, der das Mittelglied ist, das Verbindende des Endlichen und zum Unendlichen Emporführende ist.
- Beide bleiben Philosophien der Subjektivität.
Gott ist bei Kant
α) in der Erfahrung nicht zu finden: weder in der äußeren, wie Lalande sagte,
er habe am ganzen Himmel gesucht und ihn nicht gefunden, noch in der inneren,
- die Mystiker, Schwärmer können allerhand in sich erfahren und ebenso Gott, d. i. das Unendliche erfahren.
β) Kant schließt auf Gott: er ist eine Hypothese zur Erklärung,
- das Postulat der praktischen Vernunft ist dasselbe 1) ;
 je n'ai pas eu besoin de cette hypothèse, gab ein französischer Astronom dem Kaiser Napoleon zur Antwort.

Der Standpunkt der Kantischen Philosophie ist, daß das Denken durch sein Räsonnement dahin kam, sich in sich selbst als absolut und konkret, als frei, Letztes zu erfassen.
Es erfaßte sich als solches, daß es in sich alles in allem sei.
Für seine Autorität ist nichts Äußeres Autorität; alle Autorität kann nur durch das Denken gelten.
So ist das Denken in sich selbst bestimmend, konkret.
Dieses in sich selbst konkrete Denken ist zweitens als etwas Subjektives aufgefaßt worden;
und diese Seite der Subjektivität ist die Form, die in der Jacobischen Ansicht vorzüglich die herrschende ist.
Daß Gott ist, ist nicht an und für sich wahr; zum Erkennen gehört sein objektives Anundfürsichsein,
aber er soll nicht erkannt sein.
Es ist Tatsache meines Bewußtseins, daß er außer meinem Bewußtsein selbständig ist;
dieses ist aber selbst durch mein Bewußtsein gesetzt, die subjektive Seite ist also bei Jacobi Hauptmoment.
Daß das Denken konkret sei, hat Jacobi mehr auf der Seite gelassen.
Indem das Denken subjektiv ist, so wird ihm die Fähigkeit abgesprochen,
das Anundfürsichseiende zu erkennen.

Das Wahrhafte der Kantischen Philosophie ist, daß das Denken als konkret in sich,
sich selbst bestimmend aufgefaßt ist; so ist die Freiheit anerkannt.
Rousseau hat so in der Freiheit schon das Absolute aufgestellt;
Kant hat dasselbe Prinzip aufgestellt,
nur mehr nach theoretischer Seite; Frankreich faßt dies nach der Seite des Willens auf.
Die Franzosen sagen: Il a la tête près du bonnet; sie haben den Sinn der Wirklichkeit, des Handelns, Fertigwerdens - die Vorstellung geht unmittelbarer in Handlung über.
So haben sich die Menschen praktisch an die Wirklichkeit gewendet.
Sosehr die Freiheit in sich konkret ist, so wurde sie doch als unentwickelt in ihrer Abstraktion an die Wirklichkeit gewendet; und Abstraktionen in der Wirklichkeit geltend machen, heißt Wirklichkeit zerstören.
Der Fanatismus der Freiheit, dem Volke in die Hand gegeben, wurde fürchterlich. 
In Deutschland hat dasselbe Prinzip das Interesse des Bewußtseins für sich genommen;
aber es ist theoretischerweise ausgebildet worden.
Wir
haben allerhand Rumor im Kopfe und auf dem Kopfe;
dabei läßt der deutsche Kopf eher seine Schlafmütze ganz ruhig sitzen und operiert innerhalb seiner.
Das letzte Resultat der Kantischen Philosophie ist die Aufklärung;
das Denken ist nicht zufällig räsonnierend, sondern konkret.

Immanuel Kant wurde 1724 zu Königsberg geboren, studierte dort anfangs Theologie,
trat im Jahre 1755 als akademischer Lehrer auf;
1770 wurde er Professor der Logik
und starb in Königsberg 1804,
den 12. Februar, beinahe 80 Jahre alt; er ist nicht aus Königsberg hinausgekommen.

Indem nun hier so das Denken als Denken nur das positive Sichselbstgleiche war und sich so faßte,
so sahen wir das negative sich bewegende Denken, den absoluten Begriff in Frankreich in seiner Macht und auch in der Aufklärung so nach Deutschland übergehen,
daß alles Ding, alle Existenz, alles Tun und Lassen etwas Nützliches sein sollte,
d. h. eben das Ansich aufgehoben und nur für ein Anderes sein sollte; und dasjenige,
für welches alles sein sollte, ist der Mensch, das Selbstbewußtsein,
aber als alle Menschen überhaupt.
Das Bewußtsein über dies Tun, eine abstrakte Weise, ist die Kantische Philosophie.
Der sich selbst denkende, in sich gehende absolute Begriff ist es nun, den wir in Deutschland hervortreten sehen, daß in das Selbstbewußtsein alle Wesenheit falle,
- den Idealismus, der dem Selbstbewußtsein alle Momente des Ansich vindiziert,
aber selbst zuerst noch mit einem Gegensatze behaftet bleibt,
doch dieses Ansich noch unterscheidet.
Oder die Kantische Philosophie führt die Wesenheit in das Selbstbewußtsein zurück,
aber kann diesem Wesen des Selbstbewußtseins oder diesem reinen Selbstbewußtsein keine Realität verschaffen, in ihm selbst das Sein nicht aufzeigen;
begreift das einfache Denken als den Unterschied an ihm selbst habend, aber begreift noch nicht,
daß alle Realität eben in diesem Unterscheiden besteht;
weiß über die Einzelheit des Selbstbewußtseins nicht Meister zu werden; beschreibt die Vernunft sehr gut, aber tut dies auf eine gedankenlose, empirische Weise, die sich ihre Wahrheit selbst wieder raubt.

Die Kantische Philosophie ist theoretisch die methodisch gemachte Aufklärung, nämlich,
daß nichts Wahres, sondern nur die Erscheinung gewußt werden könne.
Sie führt das Wissen in das Bewußtsein und Selbstbewußtsein hinein,
aber hält es auf diesem Standpunkte als subjektives und endliches Erkennen fest.
Und wenn sie schon den Begriff und die unendliche Idee berührt,
seine formellen Bestimmungen ausspricht und zur konkreten Forderung derselben kommt, so verwirft sie dieselbe wieder als das Wahre,
macht sie zu einem bloß Subjektiven, weil sie einmal das endliche Erkennen als den fixen,
letzten Standpunkt angenommen hat.
Diese Philosophie hat der Verstandesmetaphysik, als einem objektiven Dogmatismus,
ein Ende gemacht, in der Tat aber dieselbe nur in einen subjektiven Dogmatismus,
d. i. in ein Bewußtsein, in welchem dieselben endlichen Verstandesbestimmungen bestehen,
übersetzt und die Frage nach dem, was an und für sich wahr ist, aufgegeben.

Wir wollen dem Gange Kants folgen.
Die kantische Philosophie hat unmittelbare Beziehung auf das,
was oben von Hume angeführt ist
(S. 276 ff.). Der allgemeine Sinn der Kantischen Philosophie ist der,
daß sich solche Bestimmungen wie die Allgemeinheit und Notwendigkeit nicht in der Wahrnehmung finden, wie Hume gezeigt hat; sie haben also eine andere Quelle als das Wahrnehmen,
und diese Quelle ist das Subjekt, Ich in meinem Selbstbewußtsein.  2)

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1) Kritik der praktischen Vernunft (4. Aufl., Riga 1797), S. [A] 226-227

2)) Kritik der reinen Vernunft (6. Aufl., Leipzig 1818), S. 3-5 [B 4-6]

G.W.F. Hegel: Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie:
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A. Jacobi  >

B. Kant  >

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Der Hauptsatz
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Kritik der praktischen Vernunft.

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