Negative Dialektik:
“Hitler hat den Menschen im Stande ihrer Unfreiheit einen neuen kategorischen Imperativ aufgezwungen: ihr Denken und Handeln so einzurichten, daß Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts ähnliches geschehe.” (S. 358)
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“Beides, Körper und Geist, sind Abstraktionen von ihrer Erfahrung, ihre radikale Differenz ein Gesetztes. Sie reflektiert das historisch gewonnene ‘Selbstbewußtsein’ des Geistes und seine Lossage von dem, was er um der eigenen Identität willen negiert. Alles Geistige ist modifiziert leibhafter Impuls, und solche Modifikation der qualitative Umschlag in das, was nicht bloß ist.” (S. .202.)
“Das Geheimnis durch Identifikation verleugnen, dadurch, daß man stets mehr Brocken ihm entreißt, löst es nicht. Eher straft es, als wenn es spielte, die Naturbeherrschung Lügen durchs Memento der Ohnmacht ihrer Macht. Aufklärung läßt vom metaphysischen Wahrheitsgehalt so gut wie nichts übrig, nach einer neueren musikalischen Vortragsbezeichnung presque rien. Das Zurückweichende wird immer kleiner, so wie Goethe in der ein Äußerstes nennenden Parabel des Kästchens der Neuen Melusine es darstellte; immer unscheinbarer; das ist der erkenntniskritische wie der geschichtsphilosophische Grund dafür daß Metaphysik in die Mikrologie einwandert. Diese ist Ort der Metaphysik als Zuflucht vor der Totale. Kein Absolutes ist anders auszudrücken als in Stoffen und Kategorien der Immanenz während doch weder diese in ihrer Bedingtheit noch ihr totaler Inbegriff zu vergotten ist. Metaphysik ist, dem eigenen Begriff nach, möglich nicht als ein deduktiver Zusammenhang von Urteilen über Seiendes. Genausowenig kann sie nach dem Muster eines absolut Verschiedenen Gedacht werden, das furchtbar des Denkens spottete. Danach wäre sie möglich allein als lesbare Konstellation von Seiendem. Von diesem empfinge sie den Stoff, ohne den sie nicht wäre, verklärte aber nicht das Dasein ihrer Elemente, sondern brächte sie zu einer Konfiguration, in der die Elemente zur Schrift zusammentreten. Dazu muß sie sich auf das Wünschen verstehen. Daß der Wunsch ein schlechter Vater des Gedankens sei, ist seit Xenophanes eine der Generalthesen der europäischen Aufklärung, und sie gilt ungemildert noch gegenüber den ontologischen Restaurationsversuchen. Aber Denken. selber ein Verhalten, enthält das Bedürfnis - zunächst die Lebensnot - in sich. Aus dem Bedürfnis wird gedacht, auch, wo das wishful thinking verworfen ist. Der Motor des Bedürfnisses ist der der Anstrengung die Denken als Tun involviert. Gegenstand von Kritik ist darum nicht das Bedürfnis im Denken sondern das Verhältnis zwischen beiden. Das Bedürfnis im Denken will aber daß gedacht werde. Es verlangt seine Negation durchs Denken, muß im Denken verschwinden, wenn es real sich befriedigen soll, und in dieser Negation überdauert es, vertritt in der innersten Zelle des Gedankens was nicht seinesgleichen ist. Die kleinsten innerweltlichen Züge hätten Relevanz fürs Absolute, denn der mikrologische Blick zertrümmert die Schalen des nach dem Maß des subsumierenden Oberbegriffs hilflos vereinzelten und sprengt seine Identität, den Trug, es wäre bloß Exemplar. Solches Denken ist solidarisch mit Metaphysik im Augenblick ihres Sturzes.”
Dialektik der Aufklärung, S.17:
“Primär, undifferenziert ist es alles Unbekannte, Fremde; das was den Erfahrungsumkreis transzendiert, was an den Dingen mehr ist als ihr vorweg bekanntes Dasein. Was der Primitive dabei als übernatürlich erfährt, ist keine geistige Substanz als Gegensatz zur materiellen, sondern die Verschlungenheit des Natürlichen gegenüber dem einzelnen Glied. Der Ruf des Schreckens, mit dem das Ungewohnte erfahren wird, wird zu seinem Namen. Er fixiert die Transzendenz des Unbekannten gegenüber dem Bekannten und damit den Schauder als Heiligkeit. Die Verdoppelung der Natur in Schein und Wesen, Wirkung und Kraft, die den Mythos sowohl wie die Wissenschaft erst möglich macht, stammt aus der Angst des Menschen, deren Ausdruck zur Erklärung wird. Nicht die Seele wird in die Natur verlegt, wie der Psychologismus glauben macht, Mana, der bewegende Geist, ist keine Projektion, sondern das Echo der realen Übermacht der Natur in den schwachen Seelen der Wilden. Die Spaltung von Belebtem und Unbelebtem, die Besetzung bestimmter Orte mit Dämonen und Gottheiten, entspringt erst aus diesem Präanimismus. In ihm ist selbst die Trennung von Subjekt und Objekt schon angelegt. Wenn der Baum nicht mehr bloß als Baum sondern als Zeugnis für ein anderes, als Sitz des Mana angesprochen wird, drückt die Sprache den Widerspruch aus, daB nämlich etwas es selber und zugleich etwas anderes als es selber sei, identisch und nicht identisch. Durch die Gottheit wird die Sprache aus der Tautologie zur Sprache. Der Begriff, den man gern als Merkmalseinheit des darunter Befaßten definiert, war vielmehr seit Beginn das Produkt dialektischen Denkens, worin jedes stets nur ist, was es ist, indem es zu dem wird, was es nicht ist. Das war die Urform objektivierender Bestimmung, in der Begriff und Sache auseinandertraten, derselben, die im homerischen Epos schon weit gediehen ist und in der modernen positiven Wissenschaft sich überschlägt. Aber diese Dialektik bleibt ohnmächtig, soweit sie aus dem Ruf des Schreckens sich entfaltet, der die Verdoppelung, die Tautologie des Schreckens selbst ist. Die Götter können die Furcht nicht vom Menschen nehmen, deren versteinerte Laute sie als ihre Namen tragen. Der Furcht wähnt er ledig zu sein, wenn es nichts Unbekanntes mehr gibt. Das bestimmt die Bahn der Entmythologisierung. Aufklärung, die das Lebendige mit dem Unlebendigen inneinssetzt wie der Mythos das Unlebendige mit dem Lebendigen. Aufklärung ist die radikal gewordene, rnythische Angst. Die reine Immanenz des Positivismus, ihr letztes Produkt, ist nichts anderes als ein gleichsam universales Tabu. Es darf überhaupt nichts mehr draussen sein, weil die bloße Vorstellung des Draussen die eigentliche Quelle der Angst ist.”
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