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                                                                                                                                manfred herok    2014

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    “Wir sollen uns nicht dumm machen lassen.
Wir sollen aus dem Zwang, alles in Tatsachen und Zahlen
umzusetzen, nicht Denkverbote für uns ableiten.
Während wir alles hier lernen sollen, was uns vom
wahnhaften Moment am deutschen Denken heilen
kann, sollen wir darüber nicht Phantasie, Spekulation,
unverkümmerte Einsicht uns beschneiden. Je mehr im
Wissenschaftsbetrieb universale Kontrollmechanis-
men einen jeden unserer Gedanken auf seine Richtig-
keit überprüfen, um so mehr sollen wir dessen einge-
denk bleiben, daß Wahrheit nur in dem Gedanken
liegt, der den Kontrollmechanismus selber durch-
dringt.
    Ich bin am Ende. Lassen Sie mich wiederholen:
meine Anregungen sind nicht als weltfremde Moral-
predigt gemeint. Die Gefahren, auf die ich hinwies,
kommen aus dem Zwang, sich am Leben zu erhalten,
dem die Intellektuellen unter den Emigranten gleich
allen anderen unterliegen. Soviel aber ist uns vom
Deutschen geblieben, daß wir in der deutschen Versu-
chung sind, keine Lüge aussprechen zu können, ohne
sie selber zu glauben. Nicht Trotz möchte ich anraten
und nicht uns in der Situation von Kuriositäten sehen,
die um ihrer Absonderlichkeit willen bestaunt und
vielleicht sogar ernährt werden. “


[Band 20: Vermischte Schriften I/II: Fragen an die intellektuelle Emigration. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 17613
(vgl. GS 20.1, S. 358 ff.)]

... daß das Ganze das Wahre sei, und drängt man, um
des Ganzen sich zu versichern, die ungezählten Ein-
wände zurück, denen alles Einzelne darin sich aus-
setzt, so identifiziert man allzu leicht, sobald das
Ganze einmal gegenwärtig ist, die Freude darüber mit
der Wahrheit. Hegel stellt zunächst vor die Wahl zwi-
schen Selbstpreisgabe und Unverständnis. Mit sol-
chen Aporien fertig zu werden, bedarf es der Geistes-
gegenwart: man muß ans Ganze und an den Augen-
blick, an die Präzision der Aussage und ihren Stellen-
wert in der Konstruktion zugleich denken - ja man
muß stets zugleich in der Sache, als ein ihr Hingege-
bener, und außerhalb der Sache, als ein kritisch Di-
stanzierter sein. In diese Maxime läßt sich vielleicht
die schockierende These der Hegelschen Phänomeno-
logie, daß die dialektische Bewegung ebenso im In-
nern des Objekts wie im betrachtenden Bewußtsein
stattfinde, übersetzen. Philosophische Bewegung
heißt Beweglichkeit: sich nicht dumm machen lassen,
sich nicht selbst verdummen. Heute wirkt die Denk-
kontrolle dahin, daß man mit der Miene der Verant-
wortung für jeden Satz die Spekulation sich verbietet
und an eben der Stelle, an der sie fällig wäre, sich
enger und beschränkter macht, als man es irgendwo in
der empirischen Existenz wäre.”


[Vermischte Schriften I/II: Zum Studium der Philosophie.Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 17555 (vgl. GS 20.1, S. 323 ff.)]
 

“...Realität zu stellen, abermals nur eine
verkappte Form der Anpassung ist: der an jenen be-
reits universalen Geist einer Praxis, die im Bestehen-
den sich zufriedengibt, ohne irgend noch darüber hin-
auszugehen. So sehr alle Kunst heute ein schlechtes
Gewissen hat und haben muß, wofern sie sich nicht
dumm machen will, so falsch wäre doch ihre Abschaf-
fung in einer Welt, in der immer noch das herrscht,
was als seines Korrektivs der Kunst bedarf: der Wi-
derspruch zwischen dem was ist und dem Wahren,
zwischen der Einrichtung des Lebens und der
Menschheit. Die Kraft des künstlerischen Widerstan-
des wiederzugewinnen aber vermag nur, wer auch
davor nicht zurückschrickt, daß das objektiv, schließ-
lich auch gesellschaftlich Geforderte zuzeiten in hoff-
nungsloser Vereinzelung aufbewahrt ist. Erst wer be-
reit wäre, es ganz allein, ohne Stütze bei irgendwel-
chen ihm vorgegaukelten Notwendigkeiten und Geset-
zen, zu vollbringen, dem wird vielleicht mehr gewährt
als die Spiegelung des hilflos Einsamen....”


[Band 14: Dissonanzen. Einleitung in die Musiksoziologie: Das Altern der Neuen Musik. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 11470 (vgl. GS 14, S. 167 ff.)]
 

“...Neigung zu extremem Subjektivismus. Denn die ver-
geßlichen Nachfahren Hegels glauben, eine Tendenz
objektiv-gesellschaftlich bestimmten Wesens lasse
durch bloße Gesinnung, einen Willensakt des einzel-
nen Künstlers sich verändern. Meinen sie im Ernst,
das Verhalten des Künstlers sei Sache des Entschlus-
ses, sei nicht vorgezeichnet durch seinen Bewußt-
seinsstand, in dem die ganze Gewalt des historischen
Zuges sich umsetzt in das, was ihm möglich und was
ihm nicht möglich ist? Man könnte aus dem wohlmei-
nenden Rat, doch Vernunft anzunehmen und den ex-
tremen Subjektivismus aufzugeben, das Entsetzen
heraushören, das in totalitären Staaten bereits der Ge-
danke an Subjekte auslöst, die überhaupt noch von
sich aus reagieren, anstatt Befohlenem blind sich an-
zupassen. Denn nichts wäre falscher, als die Subjekti-
vität mit dem individuell Zufälligen, Privaten zu ver-
wechseln. Ein einziges richtiges Bewußtsein, ein rich-
tiges Subjekt, das sich nicht dumm machen läßt, ist
nicht weniger objektiv als tausend falsche, verblende-
te, und sicherlich objektiver als die Ukasse, die Herr
Shdanow ausheckte. Als Erkennendes vermag das
Subjekt an einer Objektivität teilzuhaben, die von
Terror und Propaganda Umnebelten versperrt ist, und
von solcher Erkenntnis wird auch die Praxis mitbe-
troffen, die vielleicht das Verhängnis wenden könnte....”


[Dissonanzen. Einleitung in die Musiksoziologie:
Die gegängelte Musik.Theodor W. Adorno:
Gesammelte Schriften, S. 11271 (vgl. GS 14, S. 54 ff.)]
 

“... in der Verdummung, psychologischen Verkrüppelung und ideologischen Umnebelung des Publikums terminieren.
Das Bemühen um solche Normen ist darum nicht so utopisch, wie es auf den ersten Blick erscheint, weil
Fernsehen als Ideologie nicht Sache des bösen Wil-
lens, vielleicht nicht einmal der Inkompetenz der Be-
teiligten ist, sondern vom objektiven Ungeist erzwun-
gen wird. Mit ungezählten Mechanismen erreicht er
die Produzierenden. Eine sehr große Zahl von ihnen
erkennt, wenn nicht stets in theoretischen Begriffen,
so jedenfalls doch mit den ästhetischen Nerven, wie
verrottet das ist, was sie herstellen müssen, und fügt
sich einzig unter ökonomischem Druck; im allgemei-
nen ist der Widerwille um so größer, je näher man
den Schriftstellern, Regisseuren, Schauspielern
kommt, und nur das Geschäft und seine Lakaien pro-
klamieren die menschliche Rücksicht auf die Kund-
schaft. Wird von einer Wissenschaft, die sich nicht
dumm machen und mit administrativen Erhebungen
abspeisen läßt, sondern in die Erforschung der Ideolo-
gie selbst eintritt, den gegängelten Künstlern der Rüc-
ken gestärkt, so hätten diese auch ihren Chefs und
Kontrolleuren gegenüber einen besseren Stand. “


[Kulturkritik und Gesellschaft I/II: Fernsehen als Ideologie. Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 8274 (vgl. GS 10.2, S. 531 ff.)]

 

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 “Die Härte eines objektiven Befehls, ein äußerliches Daraufhalten,
die Macht des Staates kann hier nichts ausrichten; dazu hat der Verfall zu tief eingegriffen.
Wenn den Armen nicht mehr das Evangelium gepredigt wird,
 wenn das Salz dumm geworden und alle Grundfesten stillschweigend hinweggenommen sind, dann weiß das Volk, für dessen gedrungen bleibende Vernunft die Wahrheit nur in der Vorstellung sein kann, dem Drange seines Innern nicht mehr zu helfen.
Es steht dem unendlichen Schmerze noch am nächsten;
aber da die Liebe zu einer Liebe und zu einem Genuß ohne allen Schmerz verkehrt ist, so sieht es sich von seinen Lehrern verlassen. Diese haben sich zwar durch Reflexion geholfen und in der Endlichkeit, in der Subjektivität und deren Virtuosität und eben damit im Eitlen ihre Befriedigung gefunden, aber darin kann jener substantielle Kern des Volks die seinige nicht finden.”

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HEGEL:Vorlesungen über die Philosophie der Religion / Vorlesungen über die Beweise vom Dasein Gottes  3. Die Realisierung des Geistigen zur allgemeinen Wirklichkeit

Das Wahre ist das Ganze

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