“Auch der Primat der Totale darf nicht hypostasiert werden. Die Totale reproduziert sich selber immer wieder aus den Einzelheiten des gesellschaftlichen Lebens, letztlich den Individuen. Wenn wir auf die Totalität der Gesellschaft einen solchen Wert legen, dann geschieht das nicht deshalb, Herr Dahrendorf, weil wir uns an den großen Begriffen, an der Macht und Herrlichkeit der Totale berauschten, sondern im Gegenteil, weil wir in ihr das Verhängnis sehen, darin, wenn ich mich selber zitieren darf, »daß das Ganze das Unwahre ist«. Wird dem gegenüber heute von Pluralismus geredet, dann ist zu argwöhnen, daß dieser Pluralismus unter der ansteigenden Herrschaft des Gesamtsystems zur Ideologie wurde. Es käme darauf an, die Vormacht der Totale zu brechen, anstatt so zu tun, als ob Pluralität bereits existent wäre. Es ist darauf hinzuarbeiten, daß so etwas wie Pluralität, eine Assoziation freier einzelner Menschen doch einmal möglich wird.”
[Band 8: Soziologische Schriften I: Diskussionsbeitrag zu »Spätkapitalismus oder Industriegesellschaft?«. Digitale Bibliothek Band 97: Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 5786 (vgl. GS 8, S. 586 ff.)]
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