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                                                                                                                                manfred herok    2014

Die revolutionäre Seite der christlichen Lehre

“Dies Individuum nun, welches für die anderen die Erscheinung der Idee ist,
ist dies Einzige; nicht Einige, denn an Einigen wird die Göttlichkeit zur Abstraktion. "Einige" sind ein schlechter Überfluß der Reflexion, ein Überfluß, weil wider den Begriff der individuellen Subjektivität. "Einmal" ist im Begriff "allemal", und das Subjekt muß sich ohne Wahl an eine Subjektivität wenden. In der ewigen Idee ist nur ein Sohn; so ist es nur Einer, ausschließend gegen die anderen, in dem die absolute Idee erscheint. Diese Vollendung der Realität zur unmittelbaren Einzelheit ist der schönste Punkt der christlichen Religion, und die absolute Verklärung der Endlichkeit ist in ihr zur Anschauung gebracht...

HEGEL:       Vorlesungen über die Philosophie der Religion  .../
Bestimmung des Menschen 
   >>>

Durch den Glauben wird dieses Individuum als von göttlicher Natur gewußt, wodurch das Jenseits Gottes aufgehoben werde. Wenn man Christus betrachtet wie Sokrates, so betrachtet man ihn als gewöhnlichen Menschen, wie die Mohammedaner Christus betrachten als Gesandten Gottes, wie alle großen Menschen Gesandte, Boten Gottes in allgemeinem Sinne sind. Wenn man von Christus nicht mehr sagt, als daß er Lehrer der Menschheit, Märtyrer der Wahrheit ist, so steht man nicht auf dem christlichen Standpunkte, nicht auf dem der wahren Religion. ..

Dieses Reich Gottes, die neue Religion hat also an sich die Bestimmung der Negation gegen das Vorhandene, das ist die revolutionäre Seite der Lehre, die alles Bestehende teils auf die Seite wirft, teils vernichtet, umstößt. Alle irdischen weltlichen Dinge fallen weg ohne Wert und werden so ausgesprochen. Das Vorhergehende verändert sich; das vorige Verhältnis, der Zustand der Religion, der Welt kann nicht bleiben wie vorher; es ist darum zu tun, den Menschen, dem das Bewußtsein der Versöhnung werden soll, daraus herauszuziehen, zu verlangen diese Abstraktion von der vorhandenen Wirklichkeit. ..”

 

Für diese Erhebung, und damit diese im Menschen hervorkomme, ist von keiner Vermittlung gesprochen, sondern dies unmittelbare Sein, dies unmittelbare Sichversetzen in die Wahrheit, in das Reich Gottes ist damit ausgesprochen.
Die intellektuelle, geistige Welt, das Reich Gottes ist es, der der Mensch angehören soll, und die Gesinnung allein ist es, die einen Wert gibt, aber nicht die abstrakte Gesinnung, nicht diese oder jene Meinung, sondern die absolute Gesinnung, die im Reiche Gottes ihre Basis hat. Der unendliche Wert der Innerlichkeit ist damit zuerst aufgetreten.
In der Sprache der Begeisterung, in solchen durchdringenden Tönen, die die Seele durchbeben und sie wie Hermes, der Psychagoge, aus dem Leibe herausziehen und aus dem Zeitlichen in die ewige Heimat hinüberführen, ist dies vorgetragen. "Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit!"*)

*) Matth. 6, 33

 

Das erste Auftreten enthält also die polemische Seite, die Forderung, sich von den endlichen Dingen zu entfernen; es ist gefordert eine Erhebung zu einer unendlichen Energie, in der das Allgemeine fordert, für sich festgehalten zu sein, und der alle anderen Bande gleichgültig zu werden haben, was sonst sittlich, recht ist, alle anderen Bande auf die Seite zu setzen sind. "Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder?" usf. "Laß die Toten ihre Toten begraben" usf. "Wer seine Hand legt an den Pflug und sieht zurück, ist nicht geschickt zum Reich Gottes." "Ich bin gekommen, das Schwert zu bringen" usf.1)Wir sehen hierin das Polemische ausgesprochen gegen die sittlichen Verhältnisse: "Sorget nicht für den andern Tag"; "gib deine Güter den Armen".2)Alle diese Verhältnisse, die sich auf Eigentum beziehen, verschwinden. Indessen heben sie sich wieder in sich selbst auf; wenn alles den Armen gegeben wird, so sind keine Armen.

1) Matth. 12, 48; 8, 22; Luk. 9, 60. 62; Matth. 10, 34

2) Matth. 6, 34; 19, 21

 

In dieser Erhebung und völligen Abstraktion von allem, was der Welt als Großes gilt, ist allenthalben die Wehmut über die Versunkenheit seines Volkes und der Menschen überhaupt enthalten. Jesus trat auf, als das jüdische Volk durch die Gefahr, die sein Gottesdienst bisher gelitten hatte und noch litt, hartnäckiger darein versenkt war und zugleich an der Realität verzweifeln mußte, da es mit einer Allgemeinheit der Menschheit in Berührung gekommen war, die es nicht mehr ableugnen konnte und die doch selbst noch völlig geistlos war, - kurz, er trat auf in der Ratlosigkeit des gemeinen Volkes:
"Ich preise dich, Vater und Herr des Himmels und der Erde, daß du solches den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart."*

‘) Matth. 11, 25

 

Hegel: Vorlesungen über die Philosophie der Religion / ... / 3. Bestimmung des Menschen    >>>

Das alles sind Lehren, Bestimmungen, die dem ersten Auftreten angehören, wo die neue Religion nur das einzige Interesse ausmacht, was der Mensch noch zu verlieren sich in Gefahr glauben muß, und wo sie sich als Lehre an Menschen richtet, mit denen die Welt fertig ist und die mit der Welt fertig sind. Die eine Seite ist diese Entsagung; dieses Aufgeben, diese Zurücksetzung alles wesentlichen Interesses und der sittlichen Bande ist im konzentrierten Erscheinen der Wahrheit eine wesentliche Bestimmung, die in der Folge, wenn die Wahrheit sichere Existenz hat, von ihrer Wichtigkeit verliert.
Ja, wenn dieser Anfang des Leidens sich nach außen nur duldend, ergebend, den Hals darreichend verhält,
so wird sich seine innere Energie mit der Zeit, wenn er erstarkt ist, zu ebenso heftiger Gewalttätigkeit nach außen richten. “

 

 “Die gesetzte Notwendigkeit oder die besonderen Götter, deren Erscheinung und Gestalt
Die göttlichen besonderen Mächte gehören dem an sich Allgemeinen,
der Notwendigkeit an,
treten aber aus dieser heraus, weil sie für sich noch nicht als der Begriff gesetzt und als Freiheit bestimmt ist.
Die Vernünftigkeit und der vernünftige Inhalt ist noch in der Form der Unmittelbarkeit,
oder die Subjektivität ist nicht als die unendliche gesetzt, und die Einzelheit tritt deshalb als äußerliche auf....” 

 Die besonderen Götter
 

- Indem hier der Begriff Gottes abgehandelt wurde,
so war es die Vorstellung von Gott,
welche den Maßstab für die Erkenntnis bildete.
Das Denken aber hat sich frei in sich zu bewegen,
wobei jedoch sogleich zu bemerken ist,
daß das Resultat des freien Denkens mit dem Inhalt der christlichen Religion übereinstimmt,
da diese Offenbarung der Vernunft ist.
... Das reine Licht ist die reine Finsternis.”

(Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse / ... / A. Erste Stellung des Gedankens zur Objektivität. Metaphysik § 36)

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