"In Wirklichkeit scheinen wir heute an dem der Ideologie der 60er Jahre entgegengesetzten Punkt zu stehen: Die Motti der Spontaneität, des kreativen Ausdrucks der eigenen Persönlichkeit usw. werden vom System übernommen, d.h. die alte Logik, daß das System sich durch Unterdrückung und rigide Kanalisierung der spontanen Regungen des Subjekts reproduzieren, ist aufgegeben.
Nichtentfremdete Spontaneiät, Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, Selbstverwirklichung - all dies dient nun unmittelbar dem System, was der Grund dafür ist, daß schonungslose Selbstzensur ein sine qua non emanzipatorischer Politik ist.
Vor allem auf dem Gebiet der Poesie - was bedeutet, daß man jede Attitüde des Ausdrucks seiner selbst, des Zur-Schau-Stellens der eigenen Wünsche und Träume sowie des eigenen innersten emotionalen Aufgewühltseins radikal verwerfen sollte.
Wahre Kunst hat nichts, aber auch garnichts mit geschmacklosem emotionalem Exhibitionismus zu tun; ...
Wenn es etwas gibt, das den wahren Dichter mit Ekel erfüllt, dann ist es die Szene, in der ihm ein guter Freund sein Herz ausschüttet und den ganzen Schmutz seines Innenlebens vor ihm ausbreitet.....
Wenn überhaupt, dann ist wahre Kunst a-subjektiver als Wissenschaft...."
(aus. Slavoj Zizek, Die politische Suspension des Ethischen, Suhrkamp 2005 S.11/12 )
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