“...übergroße, simplistische und daher falsche Verständ- lichkeit bekräftigt die Unverständlichkeit der intellek- tuellen Verfahren selber, die von deren Falschheit - der blinden begriffslosen Subsumtion - nicht getrennt werden kann. Die allgegenwärtigen Bilder sind keine, weil sie das ganz Allgemeine, den Durchschnitt, das Standardmodell als je Eines, Besonderes präsentieren zugleich und verlachen. Aus der Abschaffung des Besonderen wird auch noch hämisch das Besondere ge- macht. Das Verlangen danach hat sich bereits im Be- dürfnis sedimentiert und wird allerorten von der Mas- senkultur, nach dem Muster der Funnies, vervielfacht. Was einmal Geist hieß, wird von Illustration abge- löst. Nicht bloß daß die Menschen sich nicht mehr vorzustellen vermögen, was ihnen nicht abgekürzt ge- zeigt und eingedrillt wird. Sogar der Witz, in dem einmal die Freiheit des Geistes mit den Fakten zusammenstieß und diese explodieren machte, ist an die Illustration übergegangen. Die Bildwitze, welche die Magazine füllen, sind großenteils ohne Pointe, sinn- leer. Sie bestehen in nichts anderem als in der Heraus- forderung des Auges zum Wettkampf mit der Situation. Man soll, durch ungezählte Präzedenzfälle geschult, rascher sehn, was »los ist«, als die Bedeutungsmomente der Situation sich entfalten. Was von solchen Bildern vorgemacht, vom gewitzigten Betrachter nachvollzogen wird, ist, im Einschnappen auf die Situation, in der widerstandslosen Unterwerfung unter die leere Übermacht der Dinge alles Bedeuten wie einen Ballast abzuwerfen. Der zeitgemäße Witz ist der Selbstmord der Intention. Wer ihn begeht,findet sich belohnt durch Aufnahme ins Kollektiv der Lacher, welche die grausamen Dinge auf ihrer Seite haben. Wollte man solche Witze denkend zu verste- hen trachten, so bliebe man hilflos hinterm Tempo der losgelassenen Sachen zurück, die in der einfachsten Karikatur noch rasen wie in der Hetzjagd am Ende des Trickfilms. Gescheitheit wird ganz unmittelbar zur Dummheit im Angesicht des regressiven Fort- schritts. Dem Gedanken bleibt kein Verstehen als das Entsetzen vorm Unverständlichen. Wie der besonnene Blick, der dem lachenden Plakat einer Zahnpasta- schönheit begegnet, in ihrem angestellten Grinsen der Qual der Folter gewahr wird, so springt ihm aus jedem Witz, ja eigentlich aus jeder Bilddarstellung das Todesurteil übers Subjekt entgegen, das im uni- versalen Sieg der subjektiven Vernunft eingeschlos- sen liegt.” [Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 1921 (vgl. GS 4, S. 160 ff.) Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben: Bilderbuch ohne Bilder. ]
|