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                                                                                                                                manfred herok    2014

Adorno: Faschismus
war die absolute Sensation: in einer Erklärung zur
Zeit der ersten Pogrome rühmte Goebbels, langweilig
wenigstens seien die Nationalsozialisten nicht.   >>>

“...übergroße, simplistische und daher falsche Verständ-
lichkeit bekräftigt die Unverständlichkeit der intellek-
tuellen Verfahren selber, die von deren Falschheit -
der blinden begriffslosen Subsumtion - nicht getrennt
werden kann.
Die allgegenwärtigen Bilder sind keine,
weil sie das ganz Allgemeine, den Durchschnitt, das
Standardmodell als je Eines, Besonderes präsentieren
zugleich und verlachen. Aus der Abschaffung des
Besonderen wird auch noch hämisch das Besondere ge-
macht. Das Verlangen danach hat sich bereits im Be-
dürfnis sedimentiert und wird allerorten von der Mas-
senkultur, nach dem Muster der Funnies, vervielfacht.
Was einmal Geist hieß, wird von Illustration abge-
löst.
Nicht bloß daß die Menschen sich nicht mehr
vorzustellen vermögen, was ihnen nicht abgekürzt ge-
zeigt und eingedrillt wird.
Sogar der Witz, in dem
einmal die Freiheit des Geistes mit den Fakten zusammenstieß und diese explodieren machte, ist an die Illustration übergegangen. Die Bildwitze, welche die
Magazine füllen, sind großenteils ohne Pointe, sinn-
leer.
Sie bestehen in nichts anderem als in der Heraus-
forderung des Auges zum Wettkampf mit der Situation.
Man soll, durch ungezählte Präzedenzfälle geschult, rascher sehn, was »los ist«, als die Bedeutungsmomente der Situation sich entfalten.
Was von solchen Bildern vorgemacht, vom gewitzigten Betrachter nachvollzogen wird, ist, im Einschnappen auf die Situation, in der widerstandslosen Unterwerfung
unter die leere Übermacht der Dinge alles Bedeuten
wie einen Ballast abzuwerfen.
Der zeitgemäße Witz
ist der Selbstmord der Intention. Wer ihn begeht,findet sich belohnt durch Aufnahme ins Kollektiv der
Lacher, welche die grausamen Dinge auf ihrer Seite
haben. Wollte man solche Witze denkend zu verste-
hen trachten, so bliebe man hilflos hinterm Tempo der
losgelassenen Sachen zurück, die in der einfachsten
Karikatur noch rasen wie in der Hetzjagd am Ende
des Trickfilms.
Gescheitheit wird ganz unmittelbar
zur Dummheit im Angesicht des regressiven Fort-
schritts.
Dem Gedanken bleibt kein Verstehen als das
Entsetzen vorm Unverständlichen. Wie der besonnene
Blick, der dem lachenden Plakat einer Zahnpasta-
schönheit begegnet, in ihrem angestellten Grinsen der
Qual der Folter gewahr wird, so springt ihm aus
jedem Witz, ja eigentlich aus jeder Bilddarstellung
das Todesurteil übers Subjekt entgegen, das im uni-
versalen Sieg der subjektiven Vernunft eingeschlos-
sen liegt.”
[Theodor W. Adorno: Gesammelte Schriften, S. 1921
(vgl. GS 4, S. 160 ff.)  Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben: Bilderbuch ohne Bilder. ]


 

“...Faschismus
war die absolute Sensation: in einer Erklärung zur
Zeit der ersten Pogrome rühmte Goebbels, langweilig
wenigstens seien die Nationalsozialisten nicht.

Genossen ward im Dritten Reich der abstrakte Schrecken
von Nachricht und Gerücht als der einzige Reiz, der
zureichte, das geschwächte Sensorium der Massen
momentweise zum Erglühen zu bringen. Ohne die fast
unwiderstehliche Gewalt der Begierde nach Schlag-
zeilen, die würgend das Herz in die Vorwelt zurück
sich krampfen läßt, wäre das Unaussprechliche nicht
von den Zuschauern, ja nicht einmal von den Tätern
zu ertragen gewesen. Im Verlauf des Krieges wurden
schließlich selbst Schreckensnachrichten den Deut-
schen groß dargeboten und der langsame militärische
Zusammenbruch nicht vertuscht. Begriffe wie Sadis-
mus und Masochismus reichen nicht mehr zu. In der
Massengesellschaft technischer Verbreitung sind sie
durch Sensation, das kometenhafte, ferngerückte, ex-
trem Neue vermittelt. Es überwältigt das Publikum,
das unterm Schock sich windet und vergißt, wem das
Ungeheure angetan ward, einem selbst oder anderen.”

(Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben: Extrablatt.)

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