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                                                                                                                                manfred herok    2014

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“Ihr Judenhass ist im Grunde Christenhass,
und man braucht sich nicht zu wundern,
daß in der deutschen nationalsozialistischen Revolution diese innige Beziehung der zwei monotheistischen Religionen in der feindseligen Behandlung beider so deutlichen Ausdruck findet.”       >>>

D. Anwendung

Frühes Trauma – Abwehr – Latenz – Ausbruch der neurotischen Erkrankung – teilweise Wiederkehr des Verdrängten: so lautete die Formel, die wir für die Entwicklung einer Neurose aufgestellt haben. Der Leser wird nun eingeladen, den Schritt zur Annahme zu machen, daß im Leben der Menschenart Ähnliches vorgefallen ist wie in dem der Individuen.
Also daß es auch hier Vorgänge gegeben hat sexuell-aggressiven Inhalts,
die bleibende Folgen hinterlassen haben, aber zumeist abgewehrt, vergessen wurden, später, nach langer Latenz zur Wirkung gekommen sind und Phänomene, den Symptomen ähnlich in Aufbau und Tendenz, geschaffen haben.

Wir glauben diese Vorgänge erraten zu können und wollen zeigen, daß ihre symptomähnlichen Folgen die religiösen Phänomene sind. Da sich seit dem Auftauchen der Evolutionsidee nicht mehr bezweifeln läßt, daß das Menschengeschlecht eine Vorgeschichte hat, und da diese unbekannt, das heißt vergessen ist, hat ein solcher Schluß beinahe das Gewicht eines Postulats. Wenn wir erfahren, daß die wirksamen und vergessenen Traumen sich hier wie dort auf das Leben in der menschlichen Familie beziehen, werden wir dies als eine hocherwünschte, nicht vorhergesehene, von den bisherigen Erörterungen nicht erforderte Zugabe begrüßen.

Ich habe diese Behauptungen schon vor einem Vierteljahrhundert in meinem Buch Totem und Tabu (1912–13) aufgestellt und brauche sie hier nur zu wiederholen.
Die Konstruktion geht von einer Angabe Ch. Darwins aus und bezieht eine Vermutung von Atkinson ein. Sie besagt, daß in Urzeiten der Urmensch in kleinen Horden lebte, jede unter der Herrschaft eines starken Männchens. Die Zeit ist nicht angebbar, der Anschluß an die uns bekannten geologischen Epochen nicht erreicht, wahrscheinlich hatte es jenes Menschenwesen in der Sprachentwicklung noch nicht weit gebracht.
Ein wesentliches Stück der Konstruktion ist die Annahme, daß die zu beschreibenden Schicksale alle Urmenschen, also alle unsere Ahnen betroffen haben.

Die Geschichte wird in großartiger Verdichtung erzählt, als ob sich ein einziges Mal zugetragen hätte, was sich in Wirklichkeit über Jahrtausende erstreckt hat und in dieser langen Zeit ungezählt oft wiederholt worden ist.
Das starke Männchen war Herr und Vater der ganzen Horde, unbeschränkt in seiner Macht, die er gewalttätig gebrauchte. Alle weiblichen Wesen waren sein Eigentum, die Frauen und Töchter der eigenen Horde, wie vielleicht auch die aus anderen Horden geraubten. Das Schicksal der Söhne war ein hartes; wenn sie die Eifersucht des Vaters erregten, wurden sie erschlagen oder kastriert oder ausgetrieben. Sie waren darauf angewiesen, in kleinen Gemeinschaften zusammenzuleben und sich Frauen durch Raub zu verschaffen, wo es dann dem einen oder anderen gelingen konnte, sich zu einer ähnlichen Position emporzuarbeiten wie die des Vaters in der Urhorde.
Eine Ausnahmestellung ergab sich aus natürlichen Gründen für die jüngsten Söhne, die durch die Liebe der Mütter geschützt aus dem Altern des Vaters Vorteil ziehen und ihn nach seinem Ableben ersetzen konnten. Sowohl von der Austreibung der älteren wie von der Bevorzugung der jüngsten Söhne glaubt man Nachklänge in Sagen und Märchen zu erkennen.

Der nächste, entscheidende Schritt zur Änderung dieser ersten Art von »sozialer« Organisation soll gewesen sein, daß die vertriebenen, in Gemeinschaft lebenden Brüder sich zusammentaten, den Vater überwältigten und ihn nach der Sitte jener Zeiten roh verzehrten. An diesem Kannibalismus braucht man keinen Anstoß zu nehmen, er ragt weit in spätere Zeiten hinein. Wesentlich ist es aber, daß wir diesen Urmenschen die nämlichen Gefühlseinstellungen zuschreiben, wie wir sie bei den Primitiven der Gegenwart, unseren Kindern, durch analytische Erforschung feststellen können.
Also daß sie den Vater nicht nur haßten und fürchteten, sondern auch ihn als Vorbild verehrten, und daß jeder sich in Wirklichkeit an seine Stelle setzen wollte.
Der kannibalistische Akt wird dann verständlich als Versuch, sich durch Einverleibung eines Stücks von ihm der Identifizierung mit ihm zu versichern.

Es ist anzunehmen, daß nach der Vatertötung eine längere Zeit folgte, in der die Brüder miteinander um das Vatererbe stritten, das ein jeder für sich allein gewinnen wollte.
Die Einsicht in die Gefahren und die Erfolglosigkeit dieser Kämpfe, die Erinnerung an die gemeinsam vollbrachte Befreiungstat und die Gefühlsbindungen aneinander, die während der Zeiten der Vertreibung entstanden waren, führten endlich zu einer Einigung unter ihnen, einer Art von Gesellschaftsvertrag.
Es entstand die erste Form einer sozialen Organisation mit Triebverzicht, Anerkennung von gegenseitigen Verpflichtungen, Einsetzung bestimmter, für unverbrüchlich (heilig) erklärter Institutionen, die Anfänge also von Moral und Recht. Jeder einzelne verzichtete auf das Ideal, die Vaterstellung für sich zu erwerben, auf den Besitz von Mutter und Schwestern. Damit war das Inzesttabu und das Gebot der Exogamie gegeben. Ein gutes Stück der durch die Beseitigung des Vaters frei gewordenen Machtvollkommenheit ging auf die Frauen über, es kam die Zeit des Matriarchats. Das Andenken des Vaters lebte zu dieser Periode des »Brüderbundes« fort. Ein starkes, vielleicht zuerst immer auch gefürchtetes Tier wurde als Vaterersatz gefunden. Eine solche Wahl mag uns befremdend erscheinen, aber die Kluft, die der Mensch später zwischen sich und dem Tier hergestellt hat, bestand nicht für den Primitiven und besteht auch nicht bei unseren Kindern, deren Tierphobien wir als Vaterangst verstehen konnten. Im Verhältnis zum Totemtier war die ursprüngliche Zwiespältigkeit (Ambivalenz) der Gefühlsbeziehung zum Vater voll erhalten. Der Totem galt einerseits als leiblicher Ahnherr und Schutzgeist des Clans, er mußte verehrt und geschont werden, anderseits wurde ein Festtag eingesetzt, an dem ihm das Schicksal bereitet wurde, das der Urvater gefunden hatte. Er wurde von allen Genossen gemeinsam getötet und verzehrt (Totemmahlzeit nach Robertson Smith). Dieser große Festtag war in Wirklichkeit eine Triumphfeier des Sieges der verbündeten Söhne über den Vater.

*

Wo bleibt in diesem Zusammenhange die Religion?
Ich meine, wir haben ein volles Recht, im Totemismus mit seiner Verehrung eines Vaterersatzes, der durch die Totemmahlzeit bezeugten Ambivalenz, der Einsetzung von Gedenkfeiern, von Verboten, deren Übertretung mit dem Tode bestraft wird
– wir dürfen im Totemismus, sage ich, die erste Erscheinungsform der Religion in der menschlichen Geschichte erkennen und deren von Anfang an bestehende Verknüpfung mit sozialen Gestaltungen und moralischen Verpflichtungen bestätigen. Die weiteren Entwicklungen der Religion können wir hier nur in kürzester Überschau behandeln. Sie gehen ohne Zweifel parallel mit den kulturellen Fortschritten des Menschengeschlechts und den Veränderungen im Aufbau der menschlichen Gemeinschaften.

Der nächste Fortschritt vom Totemismus her ist die Vermenschlichung des verehrten Wesens. An die Stelle der Tiere treten menschliche Götter, deren Herkunft vom Totem nicht verhüllt ist. Entweder wird der Gott noch in Tiergestalt oder wenigstens mit dem Angesicht des Tieres gebildet, oder der Totem wird zum bevorzugten Begleiter des Gottes, von ihm unzertrennlich, oder die Sage läßt den Gott gerade dieses Tier erlegen, das doch nur seine Vorstufe war. An einer nicht leicht bestimmbaren Stelle dieser Entwicklung treten große Muttergottheiten auf, wahrscheinlich noch vor den männlichen Göttern, die sich dann lange Zeit neben diesen erhalten.
Unterdes hat sich eine große soziale Umwälzung vollzogen. Das Mutterrecht wurde durch eine wiederhergestellte patriarchalische Ordnung abgelöst. Die neuen Väter erreichten freilich nie die Allmacht des Urvaters, es waren ihrer viele, die in größeren Verbänden, als die Horde gewesen war, miteinander lebten; sie mußten sich miteinander gut vertragen, blieben durch soziale Satzungen beschränkt. Wahrscheinlich entstanden die Muttergottheiten zur Zeit der Einschränkung des Matriarchats zur Entschädigung der zurückgesetzten Mütter.
Die männlichen Gottheiten erscheinen zuerst als Söhne neben den großen Müttern,
erst später nehmen sie deutlich die Züge von Vatergestalten an. Diese männlichen Götter des Polytheismus spiegeln die Verhältnisse der patriarchalischen Zeit wider.
Sie sind zahlreich, beschränken einander gegenseitig, unterordnen sich gelegentlich einem überlegenen Obergott. Der nächste Schritt aber führt zu dem Thema, das uns hier beschäftigt, zur Wiederkehr des einen, einzigen, unumschränkt herrschenden Vatergottes.

Es ist zuzugeben, daß diese historische Übersicht lückenhaft und in manchen Punkten ungesichert ist. Aber wer unsere Konstruktion der Urgeschichte nur für phantastisch erklären wollte, der würde den Reichtum und die Beweiskraft des Materials, das in sie eingegangen ist, arg unterschätzen. Große Stücke der Vergangenheit, die hier zu einem Ganzen verknüpft werden, sind historisch bezeugt, der Totemismus, die Männerbünde. Anderes hat sich in ausgezeichneten Repliken erhalten.
So ist es mehrmals einem Autor aufgefallen, wie getreu der Ritus der christlichen Kommunion, in der der Gläubige in symbolischer Form Blut und Fleisch seines Gottes sich einverleibt, Sinn und Inhalt der alten Totemmahlzeit wiederholt. Zahlreiche Überbleibsel der vergessenen Urzeit sind in den Sagen und Märchen der Völker erhalten, und in unerwarteter Reichhaltigkeit hat das analytische Studium des kindlichen Seelenlebens Stoff geliefert, um die Lücken unserer Kenntnis der Urzeiten auszufüllen. Als Beiträge zum Verständnis des so bedeutsamen Vaterverhältnisses brauche ich nur die Tierphobien, die so seltsam anmutende Furcht, vom Vater gefressen zu werden, und die ungeheure Intensität der Kastrationsangst anzuführen. Es ist nichts an unserer Konstruktion,
was frei erfunden wäre, was sich nicht auf gute Grundlagen stützen könnte.

Nimmt man unsere Darstellung der Urgeschichte als im ganzen glaubwürdig an,
so erkennt man in den religiösen Lehren und Riten zweierlei Elemente: einerseits Fixierungen an die alte Familiengeschichte und Überlebsel derselben, anderseits Wiederherstellungen des Vergangenen, Wiederkehren des Vergessenen nach langen Intervallen. Der letztere Anteil ist der, der, bisher übersehen und darum nicht verstanden, hier an wenigstens einem eindrucksvollen Beispiel erwiesen werden soll.

Es ist besonderer Hervorhebung wert, daß jedes aus der Vergessenheit wiederkehrende Stück sich mit besonderer Macht durchsetzt, einen unvergleichlich starken Einfluß auf die Menschenmassen übt und einen unwiderstehlichen Anspruch auf Wahrheit erhebt, gegen den logischer Einspruch machtlos bleibt.
Nach Art des Credo quia absurdum. Dieser merkwürdige Charakter läßt sich nur nach dem Muster des Irrwahns der Psychotiker verstehen. Wir haben längst begriffen, daß in der Wahnidee ein Stück vergessener Wahrheit steckt, das sich bei seiner Wiederkehr Entstellungen und Mißverständnisse gefallenlassen mußte, und daß die zwanghafte Überzeugung, die sich für den Wahn herstellt, von diesem Wahrheitskern ausgeht und sich auf die umhüllenden Irrtümer ausbreitet. Einen solchen Gehalt an historisch zu nennender Wahrheit müssen wir auch den Glaubenssätzen der Religionen zugestehen, die zwar den Charakter psychotischer Symptome an sich tragen, aber als Massenphänomene dem Fluch der Isolierung entzogen sind.

Kein anderes Stück der Religionsgeschichte ist uns so durchsichtig geworden wie die Einsetzung des Monotheismus im Judentum und dessen Fortsetzung im Christentum, wenn wir die ähnlich lückenlos verständliche Entwicklung vom tierischen Totem zum menschlichen Gott mit seinem regelmäßigen Begleiter beiseite lassen. (Noch jeder der vier christlichen Evangelisten hat sein Lieblingstier.) Lassen wir vorläufig die pharaonische Weltherrschaft als Anlaß für das Auftauchen der monotheistischen Idee gelten, so sehen wir, daß diese, von ihrem Boden losgelöst und auf ein anderes Volk übertragen, von diesem Volk nach einer langen Zeit der Latenz Besitz ergreift, als kostbarster Besitz von ihm gehütet wird und nun ihrerseits das Volk am Leben erhält, indem sie ihm den Stolz der Auserwähltheit schenkt. Es ist die Religion des Urvaters,
an die sich die Hoffnung auf Belohnung, Auszeichnung, endlich auf Weltherrschaft knüpft. Diese letztere Wunschphantasie, vom jüdischen Volk längst aufgegeben, lebt noch heute bei den Feinden des Volkes im Glauben an die Verschwörung der »Weisen von Zion« fort.
Wir behalten uns vor, in einem späteren Abschnitt darzustellen, wie die besonderen Eigentümlichkeiten der Ägypten entlehnten monotheistischen Religion auf das jüdische Volk wirken und seinen Charakter für die Dauer prägen mußten durch die Ablehnung von Magie und Mystik, die Anregung zu Fortschritten in der Geistigkeit, die Aufforderung zu Sublimierungen, wie das Volk durch den Besitz der Wahrheit beseligt, überwältigt vom Bewußtsein der Auserwähltheit, zur Hochschätzung des Intellektuellen und zur Betonung des Ethischen gelangte und wie die traurigen Schicksale, die realen Enttäuschungen dieses Volkes alle diese Tendenzen verstärken konnten. Für jetzt wollen wir die Entwicklung in anderer Richtung verfolgen.

*

Die Wiedereinsetzung des Urvaters in seine historischen Rechte war ein großer Fortschritt, aber es konnte nicht das Ende sein. Auch die anderen Stücke der prähistorischen Tragödie drängten nach Anerkennung.
Was diesen Prozeß in Gang brachte, ist nicht leicht zu erraten. Es scheint, daß ein wachsendes Schuldbewußtsein sich des jüdischen Volkes, vielleicht der ganzen damaligen Kulturwelt bemächtigt hatte als Vorläufer der Wiederkehr des verdrängten Inhalts. Bis dann einer aus diesem jüdischen Volk in der Justifizierung eines politisch-religiösen Agitators den Anlaß fand, mit dem eine neue, die christliche Religion sich vom Judentum ablöste. Paulus, ein römischer Jude aus Tarsus, griff dieses Schuldbewußtsein auf und führte es richtig auf seine urgeschichtliche Quelle zurück.
Er nannte diese die »Erbsünde«, es war ein Verbrechen gegen Gott, das nur durch den Tod gesühnt werden konnte. Mit der Erbsünde war der Tod in die Welt gekommen.
In Wirklichkeit war dies todwürdige Verbrechen der Mord am später vergötterten Urvater gewesen. Aber es wurde nicht die Mordtat erinnert, sondern anstatt dessen ihre Sühnung phantasiert, und darum konnte diese Phantasie als Erlösungsbotschaft
( Evangelium) begrüßt werden. Ein Sohn Gottes hatte sich als Unschuldiger töten lassen und damit die Schuld aller auf sich genommen. Es mußte ein Sohn sein,
denn es war ja ein Mord am Vater gewesen. Wahrscheinlich hatten Traditionen aus orientalischen und griechischen Mysterien auf den Ausbau der Erlösungsphantasie Einfluß genommen. Das Wesentliche an ihr scheint Paulus' eigener Beitrag gewesen zu sein. Er war ein im eigentlichsten Sinn religiös veranlagter Mensch; die dunklen Spuren der Vergangenheit lauerten in seiner Seele, bereit zum Durchbruch in bewußtere Regionen.

Daß sich der Erlöser schuldlos geopfert hatte, war eine offenbar tendenziöse
Entstellung, die dem logischen Verständnis Schwierigkeiten bereitete, denn wie soll ein an der Mordtat Unschuldiger die Schuld der Mörder auf sich nehmen können, dadurch, daß er sich selbst töten läßt? In der historischen Wirklichkeit bestand ein solcher Widerspruch nicht. Der »Erlöser« konnte kein anderer sein als der Hauptschuldige, der Anführer der Brüderbande, die den Vater überwältigt hatte. Ob es einen solchen Hauptrebellen und Anführer gegeben hat, muß man nach meinem Urteil unentschieden lassen. Es ist sehr wohl möglich, aber man muß auch in Betracht ziehen, daß jeder einzelne der Brüderbande gewiß den Wunsch hatte, für sich allein die Tat zu begehen und sich so eine Ausnahmestellung und einen Ersatz für die aufzugebende, in der Gemeinschaft untergehende Vateridentifizierung zu schaffen.
Wenn es keinen solchen Anführer gab, dann ist Christus der Erbe einer unerfüllt gebliebenen Wunschphantasie, wenn ja, dann ist er sein Nachfolger und seine Reinkarnation. Aber gleichgültig, ob hier Phantasie oder Wiederkehr einer vergessenen Realität vorliegt, jedenfalls ist an dieser Stelle der Ursprung der Vorstellung vom Heros zu finden, vom Helden, der sich ja immer gegen den Vater empört und ihn in irgendeiner Gestalt tötet Ernest Jones macht darauf aufmerksam, daß der Gott Mithras, der den Stier tötet, diesen Anführer darstellen könnte, der sich seiner Tat rühmt.
Es ist bekannt, wie lange die Mithrasverehrung mit dem jungen Christentum um den Endsieg stritt..
Auch die wirkliche Begründung der sonst schwer nachweisbaren »tragischen Schuld« des Helden im Drama.
Es ist kaum zu bezweifeln, daß der Held und der Chor im griechischen Drama diesen selben rebellischen Helden und die Brüderbande darstellen, und es ist nicht bedeutungslos, daß im Mittelalter das Theater mit der Darstellung der Passionsgeschichte wieder neu beginnt.

Wir haben schon gesagt, daß die christliche Zeremonie der heiligen Kommunion,
in der der Gläubige Blut und Fleisch des Heilands sich einverleibt, den Inhalt der
alten Totemmahlzeit wiederholt, freilich nur in ihrem zärtlichen, die Verehrung ausdrückenden, nicht in ihrem aggressiven Sinn. Die Ambivalenz, die das Vaterverhältnis beherrscht, zeigte sich aber deutlich im Endergebnis der religiösen Neuerung. Angeblich zur Versöhnung des Vatergottes bestimmt, ging sie in dessen Entthronung und Beseitigung aus.
Das Judentum war eine Vaterreligion gewesen, das Christentum wurde eine Sohnesreligion. Der alte Gottvater trat hinter Christus zurück, Christus, der Sohn, kam an seine Stelle, ganz so, wie es in jener Urzeit jeder Sohn ersehnt hatte. Paulus, der Fortsetzer des Judentums, wurde auch sein Zerstörer. Seinen Erfolg dankte er gewiß in erster Linie der Tatsache, daß er durch die Erlösungsidee das Schuldbewußtsein der Menschheit beschwor, aber daneben auch dem Umstand, daß er die Auserwähltheit seines Volkes und ihr sichtbares Anzeichen, die Beschneidung, aufgab, so daß die neue Religion eine universelle, alle Menschen umfassende werden konnte. Mag an diesem Schritt des Paulus auch seine persönliche Rachsucht Anteil gehabt haben ob des Widerspruchs, den seine Neuerung in jüdischen Kreisen fand, so war doch damit ein Charakter der alten Atonreligion wiederhergestellt, eine Einengung aufgehoben worden, die sie beim Übergang auf einen neuen Träger, auf das jüdische Volk, erworben hatte.

In manchen Hinsichten bedeutete die neue Religion eine kulturelle Regression gegen die ältere, jüdische, wie es ja beim Einbruch oder bei der Zulassung neuer Menschenmassen von niedrigerem Niveau regelmäßig der Fall ist.
Die christliche Religion hielt die Höhe der Vergeistigung nicht ein, zu der sich das Judentum aufgeschwungen hatte. Sie war nicht mehr streng monotheistisch, übernahm von den umgebenden Völkern zahlreiche symbolische Riten, stellte die große Muttergottheit wieder her und fand Platz zur Unterbringung vieler Göttergestalten des Polytheismus in durchsichtiger Verhüllung, obzwar in untergeordneten Stellungen. Vor allem verschloß sie sich nicht wie die Atonreligion und die ihr nachfolgende mosaische dem Eindringen abergläubischer, magischer und mystischer Elemente, die für die geistige Entwicklung der nächsten zwei Jahrtausende eine schwere Hemmung bedeuten sollten.

Der Triumph des Christentums war ein erneuerter Sieg der Ammonspriester über den Gott Ikhnatons nach anderthalbtausendjährigem Intervall und auf erweitertem Schauplatz. Und doch war das Christentum religionsgeschichtlich, d. h. in bezug auf die Wiederkehr des Verdrängten, ein Fortschritt, die jüdische Religion von da ab gewissermaßen ein Fossil.

Es wäre der Mühe wert zu verstehen, wie es kam, daß die monotheistische Idee grade auf das jüdische Volk einen so tiefen Eindruck machen und von ihm so zähe festgehalten werden konnte. Ich glaube, man kann diese Frage beantworten.
Das Schicksal hatte dem jüdischen Volke die Großtat und Untat der Urzeit,
die Vatertötung, nähergerückt, indem es dasselbe veranlaßte, sie an der Person des Moses, einer hervorragenden Vatergestalt, zu wiederholen. Es war ein Fall von »Agieren«, anstatt zu erinnern, wie er sich so häufig während der analytischen Arbeit am Neurotiker ereignet. Auf die Anregung zur Erinnerung, die ihnen die Lehre Moses' brachte, reagierten sie aber mit der Verleugnung ihrer Aktion, blieben bei der Anerkennung des großen Vaters stehen und sperrten sich so den Zugang zur Stelle, an der später Paulus die Fortsetzung der Urgeschichte anknüpfen sollte. Es ist kaum gleichgültig oder zufällig, daß die gewaltsame Tötung eines anderen großen Mannes auch der Ausgangspunkt für die religiöse Neuschöpfung des Paulus wurde. Eines Mannes, den eine kleine Anzahl von Anhängern in Judäa für den Sohn Gottes und den angekündigten Messias hielt, auf den auch später ein Stück der dem Moses angedichteten Kindheitsgeschichte überging, von dem wir aber in Wirklichkeit kaum mehr Sicheres wissen als von Moses selbst, nicht wissen, ob er wirklich der große Lehrer war, den die Evangelien schildern, oder ob nicht vielmehr die Tatsache und die Umstände seines Todes entscheidend wurden für die Bedeutung, die seine Person gewonnen hat. Paulus, der sein Apostel wurde, hat ihn selbst nicht gekannt.

Die von Sellin aus ihren Spuren in der Tradition erkannte, merkwürdigerweise auch vom jungen Goethe ohne jeden Beweis angenommene Tötung des Moses durch sein Judenvolk ›Israel in der Wüste‹; Bd. 7 der Weimarer Ausgabe, S. 170. wird so ein unentbehrliches Stück unserer Konstruktion, ein wichtiges Bindeglied zwischen dem vergessenen Vorgang der Urzeit und dem späten Wiederauftauchen in der Form der monotheistischen Religionen Vgl. zu diesem Thema die bekannten Ausführungen von Frazer, The Golden Bough, Part III, The Dying God.. Es ist eine ansprechende Vermutung, daß die Reue um den Mord an Moses den Antrieb zur Wunschphantasie vom Messias gab, der wiederkommen und seinem Volk die Erlösung und die versprochene Weltherrschaft bringen sollte. Wenn Moses dieser erste Messias war, dann ist Christus sein Ersatzmann und Nachfolger geworden, dann konnte auch Paulus mit einer gewissen historischen Berechtigung den Völkern zurufen:
»Sehet, der Messias ist wirklich gekommen, er ist ja vor euren Augen hingemordet worden.«
Dann ist auch an der Auferstehung Christi ein Stück historischer Wahrheit, denn er war der wiedergekehrte Urvater der primitiven Horde, verklärt und als Sohn an die Stelle des Vaters gerückt.

Das arme jüdische Volk, das mit gewohnter Hartnäckigkeit den Mord am Vater zu verleugnen fortfuhr, hat im Laufe der Zeiten schwer dafür gebüßt. Es wurde ihm immer wieder vorgehalten: Ihr habt unseren Gott getötet. Und dieser Vorwurf hat recht, wenn man ihn richtig übersetzt. Er lautet dann auf die Geschichte der Religionen bezogen: Ihr wollt nicht zugeben, daß ihr Gott (das Urbild Gottes, den Urvater, und seine späteren Reinkarnationen) gemordet habt. Ein Zusatz sollte aussagen: Wir haben freilich dasselbe getan, aber wir haben es zugestanden, und wir sind seither entsühnt. Nicht alle Vorwürfe, mit denen der Antisemitismus die Nachkommen des jüdischen Volkes verfolgt, können sich auf eine ähnliche Rechtfertigung berufen.
Ein Phänomen von der Intensität und Dauerhaftigkeit des Judenhasses der Völker muß natürlich mehr als nur einen Grund haben. Man kann eine ganze Reihe von Gründen erraten, manche offenkundig aus der Realität abgeleitet, die keiner Deutung bedürfen, andere, tieferliegende, aus geheimen Quellen stammend, die man als die spezifischen Motive anerkennen möchte. Von den ersteren ist der Vorwurf der Landfremdheit wohl der hinfälligste, denn an vielen heute vom Antisemitismus beherrschten Orten gehören die Juden zu den ältesten Anteilen der Bevölkerung oder sind selbst früher zur Stelle gewesen als die gegenwärtigen Einwohner.
Das trifft z. B. zu für die Stadt Köln, wohin die Juden mit den Römern kamen, ehe sie noch von Germanen besetzt wurde. Andere Begründungen des Judenhasses sind stärker, so der Umstand, daß sie zumeist als Minoritäten unter anderen Völkern leben, denn das Gemeinschaftsgefühl der Massen braucht zu seiner Ergänzung die Feindseligkeit gegen eine außenstehende Minderzahl, und die numerische Schwäche dieser Ausgeschlossenen fordert zu deren Unterdrückung auf. Ganz unverzeihlich sind aber zwei andere Eigenheiten der Juden. Erstens, daß sie in manchen Hinsichten verschieden sind von ihren »Wirtsvölkern«. Nicht grundverschieden, denn sie sind nicht fremdrassige Asiaten, wie die Feinde behaupten, sondern zumeist aus Resten der mediterranen Völker zusammengesetzt und Erben der Mittelmeerkultur. Aber sie sind doch anders, oft in undefinierbarer Art anders als zumal die nordischen Völker, und die Intoleranz der Massen äußert sich merkwürdigerweise gegen kleine Unterschiede stärker als gegen fundamentale Differenzen.

Noch stärker wirkt der zweite Punkt, nämlich daß sie allen Bedrückungen trotzen,
daß es den grausamsten Verfolgungen nicht gelungen ist, sie auszurotten, ja, daß sie vielmehr die Fähigkeit zeigen, sich im Erwerbsleben zu behaupten und, wo man sie zuläßt, wertvolle Beiträge zu allen kulturellen Leistungen zu machen.

Die tieferen Motive des Judenhasses wurzeln in längst vergangenen Zeiten,
sie wirken aus dem Unbewußten der Völker, und ich bin darauf gefaßt,
daß sie zunächst nicht glaubwürdig erscheinen werden.
Ich wage die Behauptung, daß die Eifersucht auf das Volk, welches sich für das erstgeborene, bevorzugte Kind Gottvaters ausgab, bei den anderen heute noch nicht überwunden ist, so als ob sie dem Anspruch Glauben geschenkt hätten.
Ferner hat unter den Sitten, durch die sich die Juden absonderten,
die der Beschneidung einen unliebsamen, unheimlichen Eindruck gemacht,
der sich wohl durch die Mahnung an die gefürchtete Kastration erklärt und damit an ein gern vergessenes Stück der urzeitlichen Vergangenheit rührt.
Und endlich das späteste Motiv dieser Reihe, man sollte nicht vergessen,
daß alle diese Völker, die sich heute im Judenhaß hervortun, erst in späthistorischen Zeiten Christen geworden sind, oft durch blutigen Zwang dazu getrieben.
Man könnte sagen, sie sind alle »schlecht getauft«,
unter einer dünnen Tünche von Christentum sind sie geblieben,
was ihre Ahnen waren, die einem barbarischen Polytheismus huldigten.
Sie haben ihren Groll gegen die neue, ihnen aufgedrängte Religion nicht überwunden, aber sie haben ihn auf die Quelle verschoben, von der das Christentum zu ihnen kam. Die Tatsache, daß die Evangelien eine Geschichte erzählen, die unter Juden und eigentlich nur von Juden handelt, hat ihnen eine solche Verschiebung erleichtert.
Ihr Judenhaß ist im Grunde Christenhaß,
und man braucht sich nicht zu wundern,
daß in der deutschen nationalsozialistischen Revolution diese innige Beziehung der zwei monotheistischen Religionen in der feindseligen Behandlung beider so deutlichen Ausdruck findet.”

(Sigmund Freud

Der Mann Moses und die monotheistische Religion )

 

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