„Sie erinnern sich, daß ich schon während unserer Harzreise ein günstiges Vorurteil für die Telepathie geäußert habe. Aber es bestand keine Nötigung, es öffentlich zu tun, meine Überzeugung war nicht sehr erstarkt, und die diplomatische Rücksicht, die Psychoanalyse vor der Annäherung an den Okkultismus zu bewahren, konnte leicht die Oberhand behalten. Nun hat sich mit der Bearbeitung der Traumdeutung für die Gesamtausgabe ein Anstoß ergeben, das Problem der Telepathie wieder zu berücksichtigen, unterdes aber haben meine eigenen Erfahrungen durch Versuche, die ich mit Ferenczi und meiner Tochter angestellt habe, so überzeugende Kraft für mich gewonnen, daß die diplomatischen Rücksichten dagegen zurücktreten mußten. Ich sah wieder einen Fall vor mir, wo ich in sehr verjüngtem Maßstabe das große Experiment meines Lebens zu wiederholen hatte, nämlich mich zu einer Überzeugung zu bekennen, ohne auf die Resonanz der Umwelt Rücksicht zu nehmen. So war es denn unvermeidlich. Wenn Ihnen jemand meinen Sündenfall vorhält, so antworten Sie ruhig, das Bekenntnis zur Telepathie sei meine Privatsache wie mein Judentum, meine Rauchleidenschaft und anderes."
Sigmund Freud 1925 Über den Bericht Cecils Murrays über telepathische Versuche vor der Society for Psychical Research
Nach einer Unterredung mit Tandler schreibt Freud an diesen: „Dr. Th. Reik, Psychoanalytiker, einer meiner bestausgebildeten nichtärztlichen Schüler, teilt mir mit, daß ihm vom Wiener Magistrat mit Verfügung vom 24. Februar 1925 die Ausübung der psychoanalytischen Praxis untersagt wurde. Ich gedenke einer Unterhaltung mit ihnen über diesen Gegenstand, welche eine mir sehr erfreuliche Übereinstimmung unserer Anschauungen ergab. Sie schienen meine Äußerung beifällig aufzunehmen, daß als Laie in der Psychoanalyse jeder zu betrachten ist, der nicht eine befriedigende Ausbildung in der Theorie und Technik derselben nachweisen könne", gleichgültig, ob er ein ärztliches Diplom besitze oder nicht. Die Begründungen in dem Schriftstück des Wiener Magistrats scheinen mir gewichtige Einwendungen zuzulassen. Sie setzen sich vor allem über zwei nicht zu verleugnende Tatsachen hinaus, erstens, daß die Psychoanalyse weder als Wissenschaft noch als Technik eine rein ärztliche Angelegenheit ist, zweitens, daß sie den Studenten der Medizin an der Universität nicht gelehrt wird. [SF-Julius Tandler 8.3.1925
|