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Seitenzahlen verweisen auf: Karl Marx - Friedrich Engels - Werke, Band 25, "Das Kapital", Bd. III, Fünfter Abschnitt, S. 481 - 492 Dietz Verlag, Berlin/DDR 1983
Drittes Buch Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion Zweiter Teil
Fünfter Abschnitt Spaltung des Profits in Zins und Unternehmergewinn. Das zinstragende Kapital. (Fortsetzung)
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NEUNUNDZWANZIGSTES KAPITEL Bestandteile des Bankkapitals
<481> Es ist nun nötig, näher anzusehn, woraus das Bankkapital besteht.
Wir haben eben gesehn, daß Fullarton u.a. den Unterschied zwischen Geld als Zirkulationsmittel und Geld als Zahlungsmittel (auch als Weltgeld, soweit der Goldabfluß in Betracht kommt) verwandeln in einen Unterschied zwischen Zirkulation (currency) und Kapital.
Die sonderbare Rolle, die das Kapital hier spielt, bringt es mit sich, daß ebenso sorgfältig wie die aufgeklärte Ökonomie einzuprägen suchte, daß Geld nicht Kapital ist, ebenso sorgfältig diese Bankiersökonomie einprägt, daß in der Tat Geld das Kapital par excellence ist.
Bei den spätem Untersuchungen zeigen wir, daß hierbei aber Geldkapital verwechselt wird mit moneyed capital in dem Sinn des zinstragenden Kapitals, während im ersteren Sinn das Geldkapital stets nur eine Durchgangsform des Kapitals ist, als unterschieden von den andern Formen des Kapitals, dem Warenkapital und produktiven Kapital.
Das Bankkapital besteht 1. aus barem Geld, Gold oder Noten, 2. Wertpapieren. Diese können wir wieder in zwei Teile teilen Handelspapiere, Wechsel, die schwebend sind, von Zeit zu Zeit verfallen und in deren Diskontierung das eigentliche Geschäft des Bankiers gemacht wird; und öffentliche Wertpapiere, wie Staatspapiere, Schatzscheine, Aktien aller Art, kurz zinstragende Papiere, die sich aber wesentlich von den Wechseln unterscheiden. Hierzu können auch Hypotheken gerechnet werden. Das aus diesen sachlichen Bestandteilen sich zusammensetzende Kapital scheidet sich wieder in das Anlagekapital des Bankiers selbst und in die Depositen, die sein banking capital oder geborgtes Kapital bilden. Bei den Banken mit <482> Notenausgabe kommen noch die Noten hinzu. Die Depositen und Noten lassen wir zunächst außer acht. Soviel ist klar, daß es an den wirklichen Bestandteilen des Bankierkapitals - Geld, Wechsel, Depotpapiere - nichts ändert, ob diese verschiednen Elemente sein eignes Kapital repräsentieren oder Depositen, das Kapital andrer Leute. Dieselbe Einteilung bliebe, so wohl wenn er bloß mit eignem Kapital sein Geschäft betriebe, wie wenn bloß mit bei ihm deponierten Kapital.
Die Form des zinstragenden Kapitals bringt es mit sich, daß jede bestimmte und regelmäßige Geldrevenue als Zins eines Kapitals erscheint, sie mag aus einem Kapital entspringen oder nicht. Erst wird das Geldeinkommen in Zins verwandelt, und mit dem Zins findet sich dann auch das Kapital, woraus es entspringt. Ebenso erscheint mit dem zinstragenden Kapital jede Wertsumme als Kapital, sobald sie nicht als Revenue verausgabt wird; nämlich als Hauptsumme (principal) im Gegensatz zum möglichen oder wirklichen Zins, den sie tragen kann.
Die Sache ist einfach: Gesetzt, der Durchschnittszinsfuß sei 5% jährlich. Eine Summe von 500 Pfd.St. würde also jährlich, wenn in zinstragendes Kapital verwandelt, 25 Pfd.St. einbringen. Jede feste jährliche Einnahme von 25 Pfd.St. wird daher als Zins eines Kapitals von 500 Pfd.St. betrachtet. Dies ist und bleibt jedoch eine rein illusorische Vorstellung, außer in dem Fall, daß die Quelle der 25 Pfd.St., sei diese nun ein bloßer Eigentumstitel resp. Schuldforderung oder sei sie ein wirkliches Produktionselement, wie etwa ein Grundstück, direkt übertragbar ist oder eine Form erhält, worin sie übertragbar wird. Nehmen wir als Beispiele Staatsschuld und Arbeitslohn.
Der Staat hat seinen Gläubigern jährlich ein gewisses Quantum Zins für das geborgte Kapital zu zahlen. Der Gläubiger kann hier nicht seinem Schuldner aufkündigen, sondern nur die Forderung, seinen Besitztitel darüber, verkaufen. Das Kapital selbst ist aufgegessen, verausgabt vom Staat. Es existiert nicht mehr. Was der Staatsgläubiger besitzt, ist 1. ein Schuldschein auf den Staat, sage von 100 Pfd.St.; 2. gibt dieser Schuldschein ihm den Anspruch auf die jährlichen Staatseinnahmen, d.h. das jährliche Produkt der Steuern, für einen gewissen Betrag, sage 5 Pfd.St. oder 5%; 3. kann er diesen Schuldschein von 100 Pfd.St. beliebig an andre Personen verkaufen. Ist der Zinsfuß 5%, und dazu Sicherheit des Staats vorausgesetzt, so kann der Besitzer A den Schuldschein in der Regel zu 100 Pfd.St. an B verkaufen; denn für B ist es dasselbe, ob er 100 Pfd.St. zu 5% jährlich ausleiht, oder ob er durch Zahlung von 100 Pfd.St. sich einen jährlichen Tribut vom Staat zum Betrage von 5 Pfd.St. sichert. Aber in allen diesen <483> Fällen bleibt das Kapital, als dessen Abkömmling (Zins) die Staatszahlung betrachtet wird, illusorisch, fiktives Kapital. Nicht nur, daß die Summe, die dem Staat geliehen wurde, überhaupt nicht mehr existiert. Sie war überhaupt nie bestimmt, als Kapital verausgabt, angelegt zu werden, und nur durch ihre Anlage als Kapital hätte sie in einen sich erhaltenden Wert verwandelt werden können. Für den Originalgläubiger A repräsentiert der ihm zufallende Teil der jährlichen Steuer Zins von seinem Kapital, wie dem Wucherer der ihm zufallende Teil des Vermögens des Verschwenders, obgleich in beiden Fällen die geliehene Geldsumme nicht als Kapital verausgabt ward. Die Möglichkeit, den Schuldschein auf den Staat zu verkaufen, repräsentiert für A den möglichen Rückfluß der Hauptsumme. Was den B angeht, so ist von seinem Privatstandpunkt aus sein Kapital als zinstragendes Kapital angelegt. Der Sache nach ist er bloß an die Stelle von A getreten und hat dessen Schuldforderung auf den Staat gekauft. Diese Transaktionen mögen sich noch so sehr vervielfältigen, das Kapital der Staatsschuld bleibt ein rein fiktives, und von dem Moment an, wo die Schuldscheine unverkaufbar würden, fiele der Schein dieses Kapitals weg. Nichtsdestoweniger, wie wir gleich sehn werden, hat dies fiktive Kapital seine eigne Bewegung.
Im Gegensatz nun zum Kapital der Staatsschuld, wo ein Minus als Kapital erscheint - wie das zinstragende Kapital überhaupt die Mutter aller verrückten Formen ist, so daß z.B. Schulden in der Vorstellung des Bankiers als Waren erscheinen können -, wollen wir nun die Arbeitskraft betrachten. Der Arbeitslohn wird hier als Zins aufgefaßt und daher die Arbeitskraft als das Kapital, das diesen Zins abwirft. Ist z.B. der Arbeitslohn eines Jahrs = 50 Pfd.St. und steht der Zinsfuß auf 5%, so gilt die jährliche Arbeitskraft als gleich einem Kapital von 1.000 Pfd.St. Die Verrücktheit der kapitalistischen Vorstellungsweise erreicht hier ihre Spitze, indem statt die Verwertung des Kapitals aus der Exploitation der Arbeitskraft zu erklären, umgekehrt die Produktivität der Arbeitskraft daraus erklärt wird, daß Arbeitskraft selbst dies mystische Ding, zinstragendes Kapital ist. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (z.B. bei Petty) war dies eine Lieblingsvorstellung, die aber auch heutzutage in allem Ernst teils von Vulgärökonomen, teils und hauptsächlich von deutschen Statistikern gebraucht wird.(1) Es treten hier leider zwei, diese gedankenlose Vorstellung unan- <484> genehm durchkreuzende Umstände ein, erstens, daß der Arbeiter arbeiten muß, um diesen Zins zu erhalten, und zweitens, daß er den Kapitalwert seiner Arbeitskraft nicht durch Übertragung versilbern kann. Vielmehr ist der jährliche Wert seiner Arbeitskraft gleich seinem jährlichen Durchschnittslohn, und was er ihrem Käufer durch seine Arbeit zu ersetzen hat, ist dieser Wert selbst plus dem Mehrwert, der Verwertung desselben. Im Sklavensystem hat der Arbeiter einen Kapitalwert, nämlich seinen Kaufpreis. Und wenn er vermietet wird, hat der Mieter erstens den Zins des Kaufpreises zu zahlen und obendrein den jährlichen Verschleiß des Kapitals zu ersetzen.
Die Bildung des fiktiven Kapitals nennt man kapitalisieren. Man kapitalisiert jede regelmäßig sich wiederholende Einnahme, indem man sie nach dem Durchschnittszinsfuß berechnet, als Ertrag, den ein Kapital, zu diesem Zinsfuß ausgeliehen, abwerfen wurde; z.B. wenn die jährliche Einnahme = 100 Pfd.St. und der Zinsfuß = 5%, so wären die 100 Pfd.St. der jährliche Zins von 2.000 Pfd.St., und diese 2.000 Pfd.St. gelten nun als der Kapitalwert des juristischen Eigentumstitels auf die 100 Pfd.St. jährlich. Für den, der diesen Eigentumstitel kauft, stellen die 100 Pfd.St. jährliche Einnahme dann in der Tat die Verzinsung seines angelegten Kapitals zu 5% vor. Aller Zusammenhang mit dem wirklichen Verwertungsprozeß des Kapitals geht so bis auf die letzte Spur verloren, und die Vorstellung vom Kapital als einem sich durch sich selbst verwertenden Automaten befestigt sich.
Auch da, wo der Schuldschein - das Wertpapier - nicht wie bei den Staatsschulden rein illusorisches Kapital vorstellt, ist der Kapitalwert dieses Papiers rein illusorisch. Man hat vorhin gesehn, wie das Kreditwesen assoziiertes Kapital erzeugt. Die Papiere gelten als Eigentumstitel, die dies Kapital vorstellen. Die Aktien von Eisenbahn-, Bergwerks-, Schiffahrts- etc. Gesellschaften stellen wirkliches Kapital vor, nämlich das in diesen Unternehmungen angelegte und fungierende Kapital oder die Geldsumme, welche von den Teilhabern vorgeschossen ist, um als Kapital in solchen Unternehmungen verausgabt zu werden. Wobei keineswegs ausgeschlossen ist, daß sie auch bloßen Schwindel vorstellen. Aber dies Kapital existiert nicht doppelt, einmal als Kapitalwert der Eigentumstitel, der Aktien, und das andre Mal als das in jenen Unternehmungen wirklich angelegte oder <485> anzulegende Kapital. Es existiert nur in jener letztern Form, und die Aktie ist nichts als ein Eigentumstitel, pro rata, auf den durch jenes zu realisierenden Mehrwert. A mag diesen Titel an B, und B ihn an C verkaufen. Diese Transaktionen ändern nichts an der Natur der Sache. A oder B hat dann seinen Titel in Kapital, aber C sein Kapital in einen bloßen Eigentumstitel auf den von dem Aktienkapital zu erwartenden Mehrwert verwandelt.
Die selbständige Bewegung des Werts dieser Eigentumstitel, nicht nur der Staatseffekten, sondern auch der Aktien, bestätigt den Schein, als bildeten sie wirkliches Kapital neben dem Kapital oder dem Anspruch, worauf sie möglicherweise Titel sind. Sie werden nämlich zu Waren, deren Preis eine eigentümliche Bewegung und Festsetzung hat. Ihr Marktwert erhält eine von ihrem Nominalwert verschiedne Bestimmung, ohne daß sich der Wert (wenn auch die Verwertung) des wirklichen Kapitals änderte. Einerseits schwankt ihr Marktwert mit der Höhe und Sicherheit der Erträge, worauf sie Rechtstitel geben. Ist der Nominalwert einer Aktie, d.h. die eingeschoßne Summe, die die Aktie ursprünglich repräsentiert, 100 Pfd.St. und wirft das Unternehmen statt 5% 10% ab, so steigt ihr Marktwert bei sonst gleichbleibenden Umständen und bei einem Zinsfuß von 5% auf 200 Pfd.St., denn zu 5% kapitalisiert, stellt sie jetzt ein fiktives Kapital von 200 Pfd.St. vor. Wer sie zu 200 Pfd.St. kauft, erhält 5% Revenue von dieser Kapitalanlage. Umgekehrt, wenn der Ertrag der Unternehmung abnimmt. Der Marktwert dieser Papiere ist zum Teil spekulativ, da er nicht nur durch die wirkliche Einnahme, sondern durch die erwartete, vorweg berechnete bestimmt ist. Aber die Verwertung des wirklichen Kapitals als konstant vorausgesetzt, oder wo kein Kapital existiert, wie bei den Staatsschulden, den jährlichen Ertrag als gesetzlich fixiert und auch sonst hinreichend sicher vorausgesetzt, steigt und fällt der Preis dieser Wertpapiere umgekehrt wie der Zinsfuß. Steigt der Zinsfuß von 5 auf 10%, so stellt ein Wertpapier, das einen Ertrag von 5 Pfd.St. sichert, nur noch ein Kapital von 50 Pfd.St. vor. Fällt der Zinsfuß auf 21/2%, so stellt dasselbe Wertpapier ein Kapital von 200 Pfd.St. vor. Sein Wert ist stets nur der kapitalisierte Ertrag, d.h. der Ertrag, berechnet auf ein illusorisches Kapital nach dem bestehenden Zinsfuß. In Zeiten einer Klemme im Geldmarkt werden diese Wertpapiere also doppelt im Preise fallen; erstens, weil der Zinsfuß steigt, und zweitens, weil sie massenhaft auf den Markt geworfen werden, um sie in Geld zu realisieren. Dieser Preisfall findet statt unabhängig davon, ob der Ertrag, den diese Papiere ihrem Besitzer sichern, konstant ist, wie bei den Staatseffekten, oder ob die Verwertung des wirklichen Kapitals, das sie repräsen- <486> tieren, wie bei industriellen Unternehmungen, möglicherweise durch die Störung des Reproduktionsprozesses mit betroffen wird. Im letztern Fall tritt nur zu der erwähnten Entwertung noch eine weitere hinzu. Sobald der Sturm vorüber ist, steigen diese Papiere wieder auf ihre frühere Höhe, soweit sie nicht verunglückte oder Schwindelunternehmungen vorstellen. Ihre Depreziation in der Krise wirkt als kräftiges Mittel zur Zentralisation des Geldvermögens.(2)
Soweit die Entwertung oder Wertsteigerung dieser Papiere unabhängig ist von der Wertbewegung des wirklichen Kapitals, das sie repräsentieren, ist der Reichtum einer Nation gerade so groß vor wie nach der Entwertung oder Wertsteigerung.
"Am 23. Oktober 1847 waren die öffentlichen Fonds und die Kanal- und Eisenbahnaktien bereits entwertet um 114.752.225 Pfd.St." (Morris, Gouverneur der Bank von England, Aussage im Bericht über Commercial Distress", 1847/48 [Nr. 3800].)
Soweit ihre Entwertung nicht wirklichen Stillstand der Produktion und des Verkehrs auf Eisenbahnen und Kanälen oder Aufgeben von angefangnen Unternehmungen ausdrückte oder Wegwerfen von Kapital in positiv wertlosen Unternehmungen, wurde die Nation um keinen Heller ärmer durch das Zerplatzen dieser Seifenblasen von nominellem Geldkapital.
Alle diese Papiere stellen in der Tat nichts vor als akkumulierte Ansprüche, Rechtstitel, auf künftige Produktion, deren Geld- oder Kapitalwert entweder gar kein Kapital repräsentiert, wie bei den Staatsschulden, oder von dem Wert des wirklichen Kapitals, das sie vorstellen, unabhängig reguliert wird.
In allen Ländern kapitalistischer Produktion existiert eine ungeheure Masse des sog. zinstragenden Kapitals oder moneyed capital in dieser Form. Und unter Akkumulation des Geldkapitals ist zum großen Teil nichts zu verstehn als Akkumulation dieser Ansprüche auf die Produktion, Akkumulation des Marktpreises, des illusorischen Kapitalwerts dieser Ansprüche.
<487> Ein Teil des Bankierkapitals ist nun angelegt in diesen sog. zinstragenden Papieren. Es ist dies selbst ein Teil des Reservekapitals, das nicht im wirklichen Bankgeschäft fungiert. Der bedeutendste Teil besteht aus Wechseln, d.h. Zahlungsversprechen von industriellen Kapitalisten oder Kaufleuten. Für den Geldverleiher sind diese Wechsel zinstragende Papiere; d.h. wenn er sie kauft, zieht er den Zins ab für die Zeit, die sie noch zu laufen haben. Dies ist, was man diskontieren nennt. Es hängt also vom jedesmaligen Zinsfuß ab, wie groß der Abzug ist von der Summe, die der Wechsel vorstellt. -
Der letzte Teil des Kapitals des Bankiers endlich besteht aus seiner Geldreserve von Gold oder Noten. Die Depositen, wenn nicht für längre Zeit kontraktlich ausbedungen, stehn stets zur Verfügung der Depositoren. Sie befinden sich in beständiger Fluktuation. Aber, wenn von den einen entzogen, werden sie von den andern ersetzt, so daß der allgemeine Durchschnittsbetrag in Zeiten normalen Geschäftsverlaufs wenig schwankt.
Die Reservefonds der Banken, in Ländern entwickelter kapitalistischer Produktion, drücken immer im Durchschnitt die Größe des als Schatz vorhandnen Geldes aus, und ein Teil dieses Schatzes besteht selbst wieder aus Papier, bloßen Anweisungen auf Gold, die aber keine Selbstwerte sind. Der größte Teil des Bankierkapitals ist daher rein fiktiv und besteht aus Schuldforderungen (Wechseln), Staatspapieren (die vergangnes Kapital repräsentieren) und Aktien (Anweisungen auf künftigen Ertrag). Wobei nicht vergessen werden muß, daß der Geldwert des Kapitals, den diese Papiere in den Panzerschränken des Bankiers vorstellen, selbst soweit sie Anweisungen auf sichre Erträge (wie bei den Staatspapieren) oder soweit sie Eigentumstitel auf wirkliches Kapital (wie bei den Aktien), durchaus fiktiv ist und von dem Wert des wirklichen Kapitals, das sie wenigstens teilweise vorstellen, abweichend reguliert wird; oder wo sie bloße Forderung auf Erträge vorstellen und kein Kapital, die Forderung auf denselben Ertrag in beständig wechselndem fiktivem Geldkapital sich ausdrückt. Außerdem kommt noch hinzu, daß dies fiktive Bankierkapital großenteils nicht sein Kapital, sondern das des Publikums vorstellt, das bei ihm deponiert, sei es mit, sei es ohne Zinsen.
Die Depositen werden immer in Geld gemacht, in Gold oder Noten, oder in Anweisungen darauf. Mit Ausnahme des Reservefonds, der je nach dem Bedürfnis der wirklichen Zirkulation sich zusammenzieht oder ausdehnt, befinden sich diese Depositen in Wirklichkeit stets in der Hand einerseits der industriellen Kapitalisten und Kaufleute, deren Wechsel damit diskontiert und denen Vorschüsse damit gemacht werden; andrerseits in <488> der Hand der Händler in Wertpapieren (Börsenmakler) oder in der Hand von Privaten, die ihre Wertpapiere verkauft haben, oder in der Hand der Regierung (bei Schatzscheinen und neuen Anleihen). Die Depositen selbst spielen eine doppelte Rolle. Einerseits werden sie, wie eben erwähnt, als zinstragendes Kapital ausgeliehen und finden sich also nicht in den Kassen der Banken, sondern figurieren nur in ihren Büchern als Guthaben der Depositoren. Andrerseits fungieren sie als solche bloße Buchposten, soweit die wechselseitigen Guthaben der Depositoren durch Schecks auf ihre Depositen sich ausgleichen und gegeneinander abgeschrieben werden; wobei es ganz gleichgültig ist, ob die Depositen bei demselben Bankier liegen, so daß dieser die verschiednen Konti gegeneinander abschreibt, oder ob dies durch verschiedne Banken geschieht, die ihre Schecks gegeneinander austauschen und sich nur die Differenzen zahlen.
Mit der Entwicklung des zinstragenden Kapitals und des Kreditsystems scheint sich alles Kapital zu verdoppeln und stellenweis zu verdreifachen durch die verschiedne Weise, worin dasselbe Kapital oder auch nur dieselbe Schuldforderung in verschiednen Händen unter verschiednen Formen erscheint.(3) Der größte Teil dieses "Geldkapitals" ist rein fiktiv. Die sämtlichen <489> Depositen, mit Ausnahme des Reservefonds, sind nichts als Guthaben an den Bankier, die aber nie im Depositum existieren. Soweit sie zum Girogeschäft dienen, fungieren sie als Kapital für die Bankiers, nachdem diese sie ausgeliehen haben. Sie zahlen sich untereinander die wechselseitigen Anweisungen auf die nichtexistierenden Depositen durch Abrechnung dieser Guthaben gegeneinander.
A. Smith sagt mit Bezug auf die Rolle, die das Kapital im Geldverleihen spielt:
"Selbst im Geldgeschäft ist jedoch das Geld gleichsam nur die Anweisung, die die Kapitale, für die ihre Eigentümer keine Verwendung haben, aus einer Hand in die andre überträgt. Diese Kapitale können fast beliebig größer sein als der Geldbetrag, der als Werkzeug ihrer Übertragung dient; dieselben Geldstücke dienen nacheinander bei vielen verschiednen Anleihen, ebensogut wie bei vielen verschiednen Einkäufen. Z.B. A leiht an W 1.000 Pfd.St., womit W sofort von B für 1.000 Pfd.St. Waren kauft. Da B selbst keine Verwendung für das Geld hat, leiht er die identischen Geldstücke an X, womit X sogleich von C wieder für 1.000 Pfd.St. Waren kauft. In derselben Weise und aus demselben Grund verleiht C das Geld an Y, der wieder Waren damit von D kauft. So können dieselben Stücke Gold oder Papier im lauf weniger Tage zur Vermittlung von drei verschiednen Anleihen und von drei verschiednen Einkäufen dienen, deren jeder dem Wert nach gleich ist dem ganzen Betrag dieser Stücke. Was die drei Geldleute A, B und C den drei Borgern W, X und Y überwiesen haben, ist die Macht, diese Einkäufe zu machen. In dieser Macht besteht sowohl der Wert wie der Nutzen dieser Anleihen. Das von den drei Geldleuten geliehene Kapital ist gleich dem Wert der Waren, die damit gekauft werden können, und ist dreimal größer als der Wert des Geldes, womit die Kaufe gemacht werden. Trotzdem können alle diese Anleihen vollkommen sicher sein, da die damit von den verschiednen Schuldnern gekauften Waren so angewandt werden, daß sie ihrer Zeit einen gleichen Wert von Gold- oder Papiergeld, samt einem Profit, heimbringen. Und wie dieselben Geldstücke zur Vermittlung verschiedner Anleihen bis zu ihrem dreifachen oder selbst ihrem dreißigfachen Wert dienen können, ebensogut können sie nacheinander wieder als Mittel der Rückzahlung dienen." (Book II, chap. IV.)
Da dasselbe Geldstück verschiedne Einkäufe, je nach der Geschwindigkeit seiner Zirkulation, verrichten kann, so kann es ebensogut verschiedne Anleihen vollziehn, denn die Einkäufe bringen es aus einer Hand in die andre, und die Anleihe ist nur eine Übertragung von einer Hand in die andre, die durch keinen Kauf vermittelt ist. Jedem der Verkäufer stellt das Geld die verwandelte Form seiner Ware vor; heutzutage, wo jeder Wert als Kapitalwert ausgedrückt wird, stellt es in den verschiednen Anleihen der Reihe nach verschiedne Kapitale vor, was nur andrer Ausdruck für den frühern Satz, daß es verschiedne Warenwerte der Reihe nach realisieren <490> kann. Zugleich dient es als Zirkulationsmittel, um die sachlichen Kapitale aus einer Hand in die andre zu befördern. Im Anleihen geht es nicht als Zirkulationsmittel aus der einen Hand in die andre über. Solange es in der Hand des Verleihers bleibt, ist es in seiner Hand nicht Zirkulationsmittel, sondern Wertdasein seines Kapitals. Und in dieser Form überträgt er es im Anleihen an einen Dritten. Hätte A das Geld an B, und B es an C geliehen, ohne die Vermittlung der Einkäufe, so würde dasselbe Geld nicht drei Kapitale, sondern nur eins vorstellen, nur einen Kapitalwert. Wie viele Kapitale es wirklich vorstellt, hängt davon ab, wie oft es als die Wertform verschiedner Warenkapitale fungiert.
Dasselbe was A. Smith von den Anleihen überhaupt sagt, gilt von den Depositen, die ja nur ein besondrer Name für die Anleihen sind, die das Publikum den Bankiers macht. Dieselben Geldstücke können als Instrument für eine beliebige Anzahl von Depositen dienen.
"Es ist unstreitig wahr, daß die 1.000 Pfd.St., die jemand heute bei A deponiert, morgen wieder ausgegeben werden und ein Depositum bei B bilden. Den Tag nachher, weggezahlt durch B. können sie ein Depositum bei C bilden, und so fort ins Unendliche. Dieselben 1.000 Pfd.St. in Geld können daher, durch eine Reihe von Übertragungen, sich zu einer absolut unbestimmbaren Summe von Depositen vervielfältigen. Es ist daher möglich, daß 9/10 aller Depositen im Vereinigten Königreich keine Existenz haben außer den sie belegenden Buchposten in den Büchern der Bankiers, die ihrerseits darüber abzurechnen haben ... So z.B. in Schottland, wo der Geldumlauf nie über 3 Millionen Pfd.St. war, die Depositen aber 27 Millionen. Entstünde nun nicht ein allgemeiner Ansturm auf die Banken wegen der Depositen, so könnten dieselben 1.000 Pfd.St., ihren Weg rückwärts verfolgend, mit derselben Leichtigkeit eine ebenso unbestimmbare Summe wieder ausgleichen. Da dieselben 1.000 Pfd.St., womit jemand heute eine Schuld an einen Händler ausgleicht, morgen dessen Schuld an den Kaufmann ausgleichen können, den Tag darauf die Schuld des Kaufmanns an die Bank, und so fort ohne Ende; so können dieselben 1.000 Pfd.St. von Hand zu Hand und von Bank zu Bank wandern und jede nur erdenkliche Summe von Depositen ausgleichen." ("The Currency Theory Reviewed", p. 62, 63.)
Wie alles in diesem Kreditsystem sich verdoppelt und verdreifacht und in bloßes Hirngespinst sich verwandelt, so gilt das auch vom "Reservefonds", wo man endlich glaubt, etwas Solides zu packen.
Hören wir wieder Herrn Morris, den Gouverneur der Bank von England:
"Die Reserven der Privatbanken sind in den Händen der Bank von England in Form von Depositen. Die erste Wirkung eines Goldabflusses scheint nur die Bank von England zu treffen; aber er würde ebensogut auf die Reserven der andern Banken einwirken, da es der Abfluß eines Teils der Reserve ist, die sie in unsrer Bank haben. Geradeso <491> würde er wirken auf die Reserven aller Provinzialbanken." ("Commercial Distress", 1847/48 [Nr. 3639, 3642].)
Schließlich lösen sich also die Reservefonds in Wirklichkeit auf in den Reservefonds der Bank von England.(4) Aber auch dieser Reservefonds hat wieder Doppelexistenz. Der Reservefonds des banking department ist gleich dem Überschuß der Noten, die die Bank berechtigt ist auszugeben, über die in Zirkulation befindlichen Noten. Das gesetzliche Maximum der auszugebenden Noten ist = 14 Millionen (wofür keine Metallreserve erheischt; es ist der ungefähre Betrag der Schuld des Staats an die Bank) plus dem Betrag des Edelmetallvorrats der Bank. Wenn also dieser Vorrat = 14 Millionen Pfd.St., so kann die Bank 28 Millionen Pfd.St. in Noten ausgeben, und wenn davon 20 Millionen zirkulieren, so ist der Reservefonds des banking department = 8 Millionen. Diese 8 Millionen Noten sind dann gesetzlich das Bankierkapital, worüber die Bank zu verfügen hat, und zugleich <492> der Reservefonds für ihre Depositen. Tritt nun ein Goldabfluß ein, der den Metallvorrat um 6 Millionen vermindert - wofür ebensoviel Noten vernichtet werden müssen -, so würde die Reserve des banking department von 8 auf 2 Millionen fallen. Einerseits würde die Bank ihren Zinsfuß sehr erhöhen; andrerseits würden die Banken, die bei ihr deponiert haben, und die andren Depositoren den Reservefonds für ihre eignen Guthaben bei der Bank sehr abnehmen sehn. 1857 drohten die vier größten Aktienbanken von London, wenn die Bank von England nicht einen "Regierungsbrief" zur Suspension des Bankakts von 1844 erwirke (5), ihre Depositen einzufordern, womit das banking department bankrott gewesen wäre. So kann das banking department fallieren, wie 1847, während beliebige Millionen (z.B. 1847 8 Millionen) in issue department liegen, als Garantie für die Konvertibilität der zirkulierenden Noten. Dies ist aber wieder illusorisch.
"Der große Teil der Depositen, wofür die Bankiers selbst keine unmittelbare Nachfrage haben, geht in die Hände der bill-brokers" (buchstäblich Wechselmakler, der Sache nach halbe Bankiers), "die dem Bankier dagegen als Sicherheit für seinen Vorschuß Handelswechsel geben, die sie schon für Leute in London und der Provinz diskontiert haben. Der bill-broker ist dem Bankier verantwortlich für die Rückzahlung dieses money at call" {Geld, das auf Verlangen sofort rückzahlbar ist} "und diese Geschäfte sind von so gewaltigem Umfang, daß Herr Neave, der gegenwärtige Gouverneur der Bank" {von England,} "in seiner Zeugenaussage sagt: 'Wir wissen, daß ein broker 5 Millionen hatte, und wir haben Grund anzunehmen, daß ein andrer zwischen 8 und 10 Millionen hatte; einer hatte 4, ein andrer 3 1/2, ein dritter mehr als 8. Ich spreche von Depositen bei den brokers.'" ("Report of Committee on Bank Acts", 1857/58, p. V, Absatz Nr. 8.)
"Die Londoner bill-brokers ... führten ihr enormes Geschäft ohne irgendwelche Reserve in bar; sie verließen sich auf die Eingänge von ihren nach und nach verfallenden Wechseln oder im Notfall auf ihre Macht, Vorschüsse von der Bank von England gegen Depot der von ihnen diskontierten Wechsel zu erhalten." [ibidem. p. VIII, Absatz Nr. 17.] - "Zwei Firmen von bi!l-brokers in London stellten ihre Zahlungen 1847 ein; beide nahmen das Geschäft später wieder auf. 1857 suspendierten sie wieder. Die Passiva des einen Hauses waren 1847 in runder Zahl 2.683.000 Pfd.St. bei einem Kapital von 180.000 Pfd.St.; seine Passiva waren 1857 = 5.300.000 Pfd.St., während das Kapital wahrscheinlich nicht mehr als ein Viertel betrug von dem, was es 1847 gewesen. Die Passiva der andern Firma waren beidemal zwischen 3 und 4 Millionen, bei einem Kapital von nicht mehr als 45.000 Pfd.St." (ibidem, p. XXI. Absatz Nr. 52.)
Fußnoten
(1) "Der Arbeiter hat Kapitalwert, gefunden, wenn man den Geldwert seines jährlichen Verdienstes als Zinsertrag betrachtet ... Wenn man ... die durchschnittlichen Taglohnsätze mit 4% kapitalisiert, so erhält man als Durchschnittswert eines landwirtschaftlichen Arbeiters männlichen Geschlechts: Deutsch-Östreich 1.500 Taler, Preußen 1.500, England 3.750, Frankreich 2.000, Inneres Rußland 750 Taler." (Von Reden, "Vergleichende Kulturstatistik", Berlin 1848, p. 434.) <=
(2) {Unmittelbar nach der Februarrevolution, als in Paris Waren und Wertpapiere aufs äußerste entwertet und total unverkäuflich waren, machte ein Schweizer Kaufmann in Liverpool, Herr R. Zwilchenbart (der dies meinem Vater erzählt hat) zu Geld, was er konnte, reiste mit der Barschaft nach Paris und ging zu Rothschild, ihm vorschlagend, ein gemeinsames Geschäft zu machen. Rothschild sah ihn starr an, stürzte auf ihn zu, ihn bei beiden Schultern fassend: "Avez-vous de l'argent sur vous?" - "Oui, M. le baron." - "Alors vous êtes mon homme!" <"Haben Sie Geld bei sich?" - "Ja, Herr Baron." - "Dann sind Sie mein Mann!"> - Und sie machten beide ein brillantes Geschäft. - F. E} <=
(3) {Diese Verdopplung und Verdreifachung von Kapital hat in den letzten Jahren sich bedeutend weiterentwickelt, z.B. durch die Financial Trusts, die im Londoner Börsenbericht schon eine besondre Rubrik einnehmen. Es bildet sich eine Gesellschaft zum Ankauf einer gewissen Klasse zinstragender Papiere, sage ausländische Staatspapiere, englische städtische oder amerikanische öffentliche Schuldscheine, Eisenbahnaktien etc. Das Kapital, sage 2 Millionen Pfd.St., wird durch Aktienzeichnung aufgebracht; die Direktion kauft die betr. Werte ein, resp. spekuliert mehr oder weniger aktiv darin, und verteilt den jährlichen Zinsenertrag nach Abzug der Kosten als Dividende unter die Aktionäre. - Ferner ist bei einzelnen Aktiengesellschaften der Brauch aufgekommen, die gewöhnlichen Aktien in zwei Klassen zu teilen, preferred <Vorzugsaktien> und deferred <Nachzugsaktien>. Die preferred erhalten eine fixe Verzinsung, sage 5%, vorausgesetzt, daß der Gesamtprofit dies erlaubt; bleibt dann noch etwas übrig, so erhalten es die deferred. Auf diese Weise wird die "solide" Kapitalanlage in den preferred mehr oder weniger von der eigentlichen Spekulation - in den deferred - getrennt. Da nun einzelne große Unternehmungen sich dieser neuen Mode nicht fügen wollen, ist es vorgekommen, daß sich Gesellschaften gebildet haben, die eine oder einige Millionen Pfd.St. in den Aktien jener anlegen und daraufhin für den Nominalwert dieser Aktien neue Aktien ausgeben, aber die eine Hälfte preferred und die andre deferred. In diesen Fällen werden die ursprünglichen Aktien verdoppelt, indem sie zur Grundlage neuer Aktienausgabe dienen - F. E.} <=
(4) {Wie sehr sich dies seitdem noch gesteigert, beweist folgende amtliche, der "Daily News" vom 15. Dez. 1892 entlehnte Aufstellung der Bankreserven der fünfzehn größten Londoner Banken im November 1892:
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