“... daß Individuen, denen die Geburt ein zwar durch religiöse Vorschriften, positive Staatsgesetze, gesellschaftliche Zustände gültiges Vorrecht zugeteilt hat, dies Vorrecht behaupten und geltend machen wollen. Dann nämlich ist zwar die Selbständigkeit der positiven äußeren Wirklichkeit nach vorhanden, aber sie ist als das Bestehen des in sich selbst Unberechtigten und Unvernünftigen eine falsche, ebenso rein formelle Selbständigkeit, und der Begriff des Ideals ist verschwunden. Man könnte allerdings glauben, das Ideale sei erhalten, insofern ja die Subjektivität mit dem Allgemeinen und Gesetzlichen Hand in Hand gehe und mit demselben in konsistenter Einheit bleibe; einerseits jedoch hat in diesem Falle das Allgemeine seine Kraft und Macht nicht in diesem Individuum, wie das Ideal des Heroischen es erfordert, sondern nur in der öffentlichen Autorität der positiven Gesetze und ihrer Handhabung; andererseits behauptet das Individuum nur ein Unrecht, und es geht ihm daher diejenige Substantialität ab, welche gleichfalls, wie wir sahen, im Begriffe des Ideals liegt. Die Sache des idealen Subjekts muß in sich selber wahr und berechtigt sein. Hierher gehört z. B. die gesetzliche Herrschaft über Sklaven, Leibeigne, das Recht, Fremde ihrer Freiheit zu berauben oder den Göttern zu opfern usf. - Ein solches Recht kann freilich von Individuen unbefangen in dem Glauben, ihr gutes Recht zu verteidigen, durchgeführt werden, wie in Indien z. B. die höheren Kasten sich ihrer Vorrechte bedienen oder wie Thoas den Orestes zu opfern befiehlt oder in Rußland die Herren über ihre Leibeigenen schalten; ja diejenigen, welche an der Spitze stehen, können dergleichen Rechte aus dem Interesse für dieselben als Rechte und Gesetze durchsetzen wollen. Dann aber ist ihr Recht nur ein rechtloses Recht der Barbarei, und sie selber erscheinen für uns wenigstens als Barbaren, welche das an und für sich Unrechte beschließen und vollbringen. Die Gesetzlichkeit, worauf das Subjekt sich stützt, ist für seine Zeit und deren Geist und Standpunkt der Bildung wohl zu respektieren und zu rechtfertigen, aber für uns ist sie durch und durch positiv und ohne Gültigkeit und Macht. Benutzt das bevorrechtigte Individuum nun gar sein Recht nur zu seinen Privatzwecken, aus partikulärer Leidenschaft und aus Absichten der Eigenliebe, so haben wir neben der Barbarei noch außerdem einen schlechten Charakter vor uns. HEGEL Kontext>>>
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