“Ebenso zweckmäßig ist die Darstellung der Leidensgeschichte, der Verspottung, Dornenkrönung, des Ecce Homo, der Kreuztragung, Kreuzigung, Abnahme vom Kreuz, Grablegung usf. Denn hier ist es eben die Göttlichkeit im Gegenteil ihres Triumphes, in der Erniedrigung ihrer unbegrenzten Macht und Weisheit, was den Gehalt abgibt. Dies bleibt die Kunst nicht nur überhaupt vorzustellen imstande, sondern die Originalität der Konzeption hat zugleich in diesem Inhalte einen großen Spielraum, ohne ins Phantastische auszuschweifen. Es ist Gott, der leidet, insofern er Mensch ist, in dieser bestimmten Schranke ist, und so zeigt sich der Schmerz nicht nur als menschlicher Schmerz über menschliches Schicksal, sondern es ist ein ungeheures Leiden, die Empfindung unendlicher Negativität, aber in menschlicher Gestalt, als subjektive Empfindung; und doch tritt, indem es Gott ist, der leidet, wiederum die Milderung, Herabsetzung seines Leidens ein, das nicht zum Ausbruch der Verzweiflung, nicht zu Verzerrung und Gräßlichkeit kommen kann. Dieser Ausdruck von Seelenleiden ist besonders in mehreren italienischen Meistern eine ganz originelle Schöpfung. Der Schmerz ist in den unteren Teilen des Gesichts nur Ernst, nicht wie im Laokoon ein Verziehen der Muskeln, das auf ein Schreien könnte gedeutet werden, aber in Augen und Stirne sind es Wellen, Stürme des Seelenleidens, die gleichsam sich übereinander herwälzen; die Schweißtropfen der inneren Qual brechen hervor, aber eben auf der Stirn, in welcher der unverrückbare Knochen das Hauptbestimmende ausmacht; und gerade in diesem Punkte, wo Nase, Augen und Stirn zusammenkommen und sich das innere Sinnen, die geistige Natur konzentriert und diese Seite hervortreibt, sind es nur wenige Häute und Muskeln, die keiner großen Verzierung fähig sind und dieses Leiden eben damit gehalten und zugleich unendlich zusammengefaßt erscheinen lassen. Insbesondere erinnere ich mich eines Kopfes in der Galerie von Schleißheim, in welchem der Meister - ich glaube Guido Reni - und dann auch in ähnlichen Darstellungen andere ein ...”
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