C. Repulsion und Attraktion
a. Ausschließen des Eins
Die vielen Eins sind Seiende; ihr Dasein oder Beziehung aufeinander ist Nicht-Beziehung, sie ist ihnen äußerlich, - das abstrakte Leere. Aber sie selbst sind diese negative Beziehung auf sich nun als auf seiende Andere, - der aufgezeigte Widerspruch, die Unendlichkeit, gesetzt in Unmittelbarkeit des Seins. Hiermit findet nun die Repulsion das unmittelbar vor, was von ihr repelliert ist. Sie ist in dieser Bestimmung Ausschließen; das Eins repelliert nur die vielen von ihm unerzeugten, nichtgesetzten Eins von sich. Dies Repellieren ist, gegenseitig oder allseitig, - relativ, durch das Sein der Eins beschränkt.
Die Vielheit ist zunächst nicht gesetztes Anderssein, die Grenze nur das Leere, nur das, worin die Eins nicht sind. Aber sie sind auch in der Grenze; sie sind im Leeren, oder ihre Repulsion ist ihre gemeinsame Beziehung.
Diese gegenseitige Repulsion ist das gesetzte Dasein der vielen Eins; sie ist nicht ihr Fürsichsein, nach dem sie nur in einem Dritten als Vieles unterschieden wären, sondern ihr eigenes sie erhaltendes Unterscheiden. - Sie negieren sich gegenseitig, setzen einander als solche, die nur für Eines sind. Aber sie negieren ebensosehr zugleich dies, nur für Eines zu sein; sie repellieren diese ihre Idealität und sind. - So sind die Momente getrennt, die in der Idealität schlechthin vereinigt sind. Das Eins ist in seinem Fürsichsein auch für Eines, aber dies Eine, für welches es ist, ist es selbst; sein Unterscheiden von sich ist unmittelbar aufgehoben. Aber in der Vielheit hat das unterschiedene Eins ein Sein; das Sein-für-Eines, wie es in dem Ausschließen bestimmt ist, ist daher ein Sein-für-Anderes. Jedes wird so von einem Anderen repelliert, aufgehoben und zu einem gemacht, das nicht für sich, sondern für Eines, und zwar ein anderes Eins ist.
Das Fürsichsein der vielen Eins zeigt sich hiernach als ihre Selbsterhaltung durch die Vermittlung ihrer Repulsion gegeneinander, in der sie sich gegenseitig aufheben und die anderen als ein bloßes Sein-für-Anderes setzen; aber zugleich besteht sie darin, diese Idealität zu repellieren und die Eins zu setzen, nicht für ein Anderes zu sein. Diese Selbsterhaltung der Eins durch ihre negative Beziehung aufeinander ist aber vielmehr ihre Auflösung.
Die Eins sind nicht nur, sondern sie erhalten sich durch ihr gegenseitiges Ausschließen. Erstens ist nun das, wodurch sie festen Halt ihrer Verschiedenheit gegen ihr Negiertwerden haben sollten, ihr Sein, und zwar ihr Ansichsein gegen ihre Beziehung auf Anderes; dies Ansichsein ist, daß sie Eins sind. Aber dies sind Alle; sie sind in ihrem Ansichsein dasselbe, statt darin den festen Punkt ihrer Verschiedenheit zu haben. Zweitens ihr Dasein und ihr Verhalten zueinander, d. i. ihr Sich-selbst-als-Eins-Setzen, ist das gegenseitige Negieren; dies ist aber gleichfalls eine und dieselbe Bestimmung aller, durch welche sie sich also vielmehr als identisch setzen, - wie dadurch, daß sie an sich dasselbe sind, ihre als durch Andere zu setzende Idealität ihre eigene ist, welche sie also ebensowenig repellieren. - Sie sind hiermit ihrem Sein und Setzen nach nur eine affirmative Einheit.
Diese Betrachtung der Eins, daß sie nach ihren beiden Bestimmungen, sowohl insofern sie sind als insofern sie sich aufeinander beziehen, sich nur als ein und dasselbe und ihre Ununterscheidbarkeit zeigen, ist unsere Vergleichung. - Es ist aber auch zu sehen, was in ihrer Beziehung aufeinander selbst gesetzt an ihnen ist. - Sie sind, dies ist in dieser Beziehung vorausgesetzt, - und sind nur, insofern sie sich gegenseitig negieren und diese ihre Idealität, ihr Negiertsein zugleich von sich selbst abhalten, d. i. das gegenseitige Negieren negieren. Aber sie sind nur, insofern sie negieren; so wird, indem dies ihr Negieren negiert wird, ihr Sein negiert. Zwar, indem sie sind, würden sie durch dies Negieren nicht negiert, es ist nur ein Äußerliches für sie; dies Negieren des Anderen prallt an ihnen ab und trifft nur berührend ihre Oberfläche. Allein nur durch das Negieren der Anderen kehren sie in sich selbst zurück; sie sind nur als diese Vermittlung, diese ihre Rückkehr ist ihre Selbsterhaltung und ihr Fürsichsein. Indem ihr Negieren nichts effektuiert, durch den Widerstand, den die Seienden als solche oder als negierend leisten, so kehren sie nicht in sich zurück, erhalten sich nicht und sind nicht.
Vorhin wurde die Betrachtung gemacht, daß die Eins dasselbe, jedes derselben Eins ist wie das Andere. Dies ist nicht nur unser Beziehen, ein äußerliches Zusammenbringen, sondern die Repulsion ist selbst Beziehen; das die Eins ausschließende Eins bezieht sich selbst auf sie, die Eins, d. h. auf sich selbst. Das negative Verhalten der Eins zueinander ist somit nur ein Mit-sich-Zusammengehen. Diese Identität, in welche ihr Reppellieren übergeht, ist das Aufheben ihrer Verschiedenheit und Äußerlichkeit, die sie vielmehr gegeneinander als Ausschließende behaupten sollten.
Dies Sich-in-ein-Eines-Setzen der vielen Eins ist die Attraktion.
Anmerkung
Die Selbständigkeit, auf die Spitze des fürsichseienden Eins getrieben, ist die abstrakte, formelle Selbständigkeit, die sich selbst zerstört, der höchste, hartnäckigste Irrtum, der sich für die höchste Wahrheit nimmt, - in konkreteren Formen als abstrakte Freiheit, als reines Ich, und dann weiter als das Böse erscheinend. Es ist die Freiheit, die sich so vergreift, ihr Wesen in diese Abstraktion zu setzen, und in diesem Beisichsein sich schmeichelt, sich rein zu gewinnen. Diese Selbständigkeit ist bestimmter der Irrtum, das als negativ anzusehen und sich gegen das als negativ zu verhalten, was ihr eigenes Wesen ist. Sie ist so das negative Verhalten gegen sich selbst, welches, indem es sein eigenes Sein gewinnen will, dasselbe zerstört, und dies sein Tun ist nur die Manifestation der Nichtigkeit dieses Tuns. Die Versöhnung ist die Anerkennung dessen, gegen welches das negativeVerhalten geht, vielmehr als seines Wesens, und ist nur als Ablassen von der Negativität seines Fürsichseins, statt an ihm festzuhalten.
Es ist ein alter Satz, daß das Eine Vieles und insbesondere daß das Viele Eines ist. Es ist hierüber die Bemerkung zu wiederholen, daß die Wahrheit des Eins und des Vielen in Sätzen ausgedrückt in einer unangemessenen Form erscheint, daß diese Wahrheit nur als ein Werden, als ein Prozeß, Repulsion und Attraktion, nicht als das Sein, wie es in einem Satze als ruhige Einheit gesetzt ist, zu fassen und auszudrücken ist. Es ist oben der Dialektik Platons im Parmenides über die Ableitung des Vielen aus dem Eins, nämlich aus dem Satze "Eines ist", erwähnt und erinnert worden. Die innere Dialektik des Begriffes ist angegeben worden; am leichtesten ist die Dialektik des Satzes, daß Vieles Eines ist, als äußerliche Reflexion zu fassen; und äußerlich darf sie hier sein, insofern auch der Gegenstand, die Vielen, das einander Äußerliche ist. Diese Vergleichung der Vielen miteinander ergibt sogleich, daß Eines schlechthin nur bestimmt ist wie das Andere; jedes ist Eins, jedes ist Eins der Vielen, ist ausschließend die anderen, - so daß sie schlechthin nur dasselbe sind, schlechthin nur eine Bestimmung vorhanden ist. Es ist dies das Faktum, und es ist nur darum zu tun, dies einfache Faktum aufzufassen. Die Hartnäckigkeit des Verstandes weigert sich nur darum gegen dieses Auffassen, weil ihm auch der Unterschied, und zwar mit Recht, vorschwebt; aber dieser bleibt um jenes Faktums willen so wenig aus, als gewiß jenes Faktum ungeachtet des Unterschiedes existiert. Man könnte den Verstand damit für das schlichte Auffassen des Faktums des Unterschiedes gleichsam trösten, daß der Unterschied auch wieder eintreten werde.
(Hegel: Wissenschaft der Logik >>> )
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