Philosophie des Heraklit
Lassen wir die Ionier weg, die das Absolute noch nicht als Gedanken faßten, und ebenso die Pythagoreer, so haben wir das reine Sein der Eleaten und die Dialektik, welche alle endlichen Verhältnisse vernichtet. Das Denken ist der Prozeß solcher Erscheinungen; das Sein, die Welt ist an ihr selbst das Erscheinende, nur das reine Sein ist das Wahrhafte. Die Dialektik des Zenon greift also die Bestimmungen auf, die im Inhalt selbst liegen. Sie kann insofern auch noch subjektive Dialektik genannt werden, insofern sie in das betrachtende Subjekt fällt, und das Eine ist ohne diese Dialektik, ohne diese Bewegung, Eins, abstrakte Identität. Der weitere Schritt von der subjektiven Dialektik des Zenon ist, daß diese Dialektik selbst objektiv werden muß, d. h. diese Bewegung selbst als das Objektive gefaßt werde. Aristoteles tadelt die Pythagoreischen Zahlen und die Platonischen Ideen, weil sie die Substanzen der Dinge sind, diese an ihnen teilnehmen, - dies sei ein leeres Gerede; was ist aber das Wirksame? Auch den Thales tadelt Aristoteles, daß er die Bewegung aufhob; im Parmenides haben wir das Sein und die Dialektik als Bewegung im Subjekte. Heraklit faßt nun das Absolute selbst als diesen Prozeß, als Dialektik selbst auf. Die Dialektik ist α) äußerliche Dialektik, Räsonieren hin und her, nicht die Seele des Dinges selbst sich auflösend; β) immanente Dialektik des Gegenstandes, fallend aber in die Betrachtung des Subjekts; γ) Objektivität Heraklits, d. h. die Dialektik selbst als Prinzip auffassen. Es ist der notwendige Fortschritt, und es ist der, den Heraklit gemacht hat. Das Sein ist das Eine, das Erste; das Zweite ist das Werden, - zu dieser Bestimmung ist er fortgegangen. Das ist das erste Konkrete, das Absolute als in ihm die Einheit Entgegengesetzter. Das ist das erste Konkrete, das Absolute als in ihm die Einheit Entgegengesetzter. Bei ihm ist also zuerst die philosophische Idee in ihrer spekulativen Form anzutreffen: das Räsonnement des Parmenides und Zenon ist abstrakter Verstand; Heraklit wurde so auch überall als tiefdenkender Philosoph gehalten, ja auch verschrien. Hier sehen wir Land; es ist kein Satz des Heraklit, den ich nicht in meine Logik aufgenommen.
Heraklit, um die 70. Olympiade (500 v. Chr.) berühmt, war ein Epheser1) , zum Teil noch gleichzeitig mit Parmenides. Er hat angefangen die Trennung, Zurückgezogenheit der Philosophen von den öffentlichen Angelegenheiten und Interessen des Vaterlands. Wir haben α) die Sieben Weisen, als Staatsmänner, Regenten, Gesetzgeber; β) die pythagoreische Bund -Aristokratie; γ) die Philosophie, das Interesse der Wissenschaft für sich. Heraklit widmete sich nur den Wissenschaften, lebte in Einsamkeit ganz der Philosophie. Von seinem Leben ist wenig mehr bekannt als das Verhältnis zu seinen Landsleuten, den Ephesern; und dies war vornehmlich dies, daß sie ihn verachtet haben, aber noch tiefer von ihm verachtet worden sind2) - ein Verhältnis, wie gegenwärtig in der Welt, wo jeder für sich ist und alle anderen verachtet. Wir sehen in ihm die Absonderung von der Menge. In diesem edlen Geiste ist diese Verachtung entstanden aus dem tiefen Gefühl von der Verkehrtheit der Vorstellungen und des gemeinsamen Lebens seiner Landsleute; einzelne Ausdrücke bei verschiedenen Gelegenheiten sind darüber noch aufbewahrt. Diogenes Laertios (IX, § 2) erzählt, Heraklit habe gesagt: "Es gebührte den Ephesern, allen, wie sie erwachsen (ἡβηδόν), daß ihnen die Hälse gebrochen, daß den Unmündigen die Stadt überlassen würde" (wie man jetzt auch gemeint hat, daß die Jugend nur verstehe zu regieren), "weil sie seinen Freund Hermodoros, den Trefflichsten unter ihnen, vertrieben hatten, wozu sie als Grund angaben: Unter uns soll keiner der Trefflichste sein, ist ein solcher, so sei er es anderwärts und bei anderen." Aus demselben Grunde ist es auch in der athenischen Demokratie geschehen, daß man große Männer verbannte. Proklos sagt 3) : "Der edle Heraklit schalt das Volk als unverständig und gedankenlos. Was ist denn, sagt er, ihr Verstand oder Besonnenheit? Die meisten sind schlecht, wenige gut." "Seine Mitbürger haben ihn aufgefordert, an der Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten teilzunehmen; er schlug es aber aus, weil er ihre Verfassung, Gesetze und Staatsverwaltung nicht billigte. " Diogenes Laertios (IX, § 6) sagt weiter: "Antisthenes führt es an als Beweis der Seelengröße des Heraklit, daß er seinem Bruder das Königtum überlassen habe."
Am stärksten drückt er die Verachtung dessen, was den Menschen für Wahrheit und Recht galt, in dem Briefe aus, worin er die Einladung des Darios Hystaspis, "ihn der griechischen Weisheit teilhaftig zu machen, da sein Werk über die Natur eine große Kraft (δύναμιν) der Theorie der Welt enthalte, aber an vielen Stellen dunkel sei, zu ihm zu kommen und ihm das zu erklären, was der Erklärung bedürfe" (dies ist freilich nicht sehr wahrscheinlich, wenn auch Heraklit orientalischen Ton hat), soll beantwortet haben 4) : "Soviel Sterbliche leben, so sind sie der Wahrheit und Gerechtigkeit fremd und halten auf Unmäßigkeit und Eitelkeit der Meinungen, um ihres bösen Unverstandes willen. Ich aber, indem ich die Vergessenheit alles Bösen erreicht habe und das Übermaß des Neides, der mich verfolgt, und den Übermut des hohen Standes fliehe, werde ich nicht nach Persien kommen, mit wenigem zufrieden und bei meinem Sinne bleibend."
1) Diogenes Laertios IX, § 1
2) Diogenes Laertios IX, § 15; 3
3) Fabricius zu Sextus Empiricus, Adversus mathematicos (VII, § 127)
4) Diogenes Laertios IX, § 13, 14
Philosophie des Heraklit > 1. Das logische Prinzip / > 2. Die Weise der Realität / > 3. Der Prozeß als allgemeiner und sein Verhältnis zum Bewußtsein >
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